Kaffee statt Räumung in der Varrentrappstraße. © Christoph Boeckheler/FR

Bockenheimer Kulturrevolte

Es sind noch alle da. Am Morgen danach ist das die erste gute Nachricht aus Sicht der Besetzer des ehemaligen Bockenheimer Jugendzentrums. Eine Räumung hat es nicht gegeben, stattdessen Kaffee für alle.

Hausbesetzeralltag. Die zweite gute Nachricht folgt schon am Mittag, nachdem der Magistrat seine morgendliche Sitzung beendet hat: Die jungen Aktivisten eines freien Kulturprojekts, die am Samstag das Gebäude in der Varrentrappstraße okkupiert hatten, dürfen vorerst bleiben. So verkündet es Bürgermeisterin Jutta Ebeling.

Die Grüne hatte im Magistrat am Morgen ihre geplante Vorgehensweise dargelegt und die Zustimmung des Koalitionspartners dafür erhalten, eine »gütliche Einigung« finden zu wollen. Die Duldung der Besetzer, die das Haus als mietfreien Raum für Kulturschaffende nutzen wollen, ist danach allerdings begrenzt: Am 15. Januar soll das Gebäude geräumt sein. Andernfalls wird geräumt.

Ebelings Büroleiter Michael Damian nannte die Einigung gegenüber der FR eine »mündliche Duldung«. Keinesfalls werde man mit den Aktivisten einen Vertrag schließen, »wir wollen nicht die Verantwortung übernehmen, wenn dort mit den offenen Leitungen und Kabeln etwas passiert«, sagt er. Ob die am Montag vom Stadtschulamt gestellte Anzeige gegen die Besetzer zurückgezogen werde, müsse das Dezernat noch prüfen, so Damian. Im Januar soll dann die Sanierung des Gebäudes beginnen, das künftig von der benachbarten Modeschule genutzt werden soll. Auf diesen Ablauf haben Bürgermeisterin und CDU sich geeinigt. »Wichtig ist, dass der Umbau rechtzeitig beginnen kann«, sagt CDU-Fraktionschef Markus Frank.

Abwarten, Kaffee trinken

Aus Sicht des Bildungsdezernats ist ohnehin schon zu viel Zeit verschwendet worden. Im September 2001 war das damalige Jugendzentrum geschlossen und dessen Einrichtungen an andere Standorte verlegt worden, seither hatte das Haus leergestanden. Immer wieder habe man in den vergangenen Jahren versucht, das Geld für die Sanierung in den Haushalt zu bekommen, berichtet Damian: »Aber immer wieder ist es in den Verhandlungen gekippt worden.« Auch mehrere Initiativen des Bockenheimer Ortsbeirats hatten nicht gefruchtet, so dass der Bau weiter ungenutzt blieb. Für das kommende Haushaltsjahr stünden die für den Umbau veranschlagten 1,5 Millionen Euro nun aber bereit, so Damian.

Gar nicht glücklich mit der Entwicklung ist auch Malte Lütjens, der Leiter der Modeschule. Anders als von den Aktivisten dargestellt gebe es »kein friedliches Einvernehmen« über die Besetzung. Die Schule warte seit Jahren schon auf die dringend benötigten Räume und habe intensiv am Nutzungsplan mitgearbeitet. »Es ist ja nicht so, dass das Haus künftig privat genutzt wird, deshalb ist es kontraproduktiv, was da gerade passiert«, so Lütjens. »Wir wären froh, wenn wir zu Beginn des nächsten Schuljahres einziehen könnten.«

Die Anführer der kleinen Bockenheimer Kulturrevolte haben derweil ihre Rechtsanwälte eingeschaltet. Sie wollen Haftungsfragen und die Strafanzeige prüfen lassen, sagt ein Sprecher. Ansonsten warte man jetzt erst einmal ab. Hausbesetzeralltag.


Frankfurter Rundschau, 06.08.2008

von Felix Helbig

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