»Faites votre Jeu« leistet radikale Kunstkritik und präsentiert eine Ausstellung über Graffitis in Lateinamerika

In der etablierten Kunst dreht sich alles nur um Beziehungen und Geld«, sagt ein Sprecher der Initiative »Faites votre Jeu«. Für junge Künstler, die sich außerhalb kommerzieller Zusammenhänge verwirklichen wollen, gebe es keinen Raum. Sicherlich laufe in der Kunst vieles über Provokation, doch letztendlich solle doch alles im Rahmen bleiben. Tatsächliche Reflektion gesellschaftlicher Verhältnisse sei nicht erwünscht. Weiter erläutert er die Dialektik der Kunst: »Selbst wenn sie über die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse hinausweist und zeigt, daß es auch andere Lebensformen geben kann, integriert sie wieder, indem sie konsumierbar gemacht wird.« Dieser Kunstbegriff sei bezeichnend: »Er ist wie der Gang ins Theater, das seine Zuschauer im Grunde nur reproduzieren will, um die nächste Arbeitswoche durchzustehen.« So sieht es der angehende Soziologe, der die Frankfurter Schule und insbesondere Adornos »Dialektik der Aufklärung« studiert.

Bis zum 31. August ist in den seit Monatsanfang von der Initiative »Faites votre Jeu« besetzten Räumen des alten JUZ in der Varrentrappstraße 38 in Frankfurt am Main eine Ausstellung zu sehen, die Kunst von der Straße für die Straße zeigt. Der 21jährige Künstler Jaska Klocke hat in den vergangenen zwei Jahren Zentral- und Südamerika bereist. Mit seinen Fotografien dokumentiert er, wie im mexi­kanischen Chiapas, in Guatemala, Uruguay, Argentinien und Chile Hinterhof­ateliers auf die Straße verlegt werden und wie politische Anliegen in Form von Graffiti sichtbar werden. Da geht es um Abtreibung, um freie Sexualität – auch für Homosexuelle. »Mein Körper gehört mir« steht an einer Kirchenwand im argentinischen Cordoba. »Wir Lesben sind deine Mütter, Töchter und Schwestern« oder »Küß, wen du willst«, heißt es an Häuserwänden in Buenos Aires.

Abgebildet sind drei knutschende Paare, hetero, schwul und lesbisch. »Ihr habt geschwiegen, als man sie abgeholt hat«, wirft einer der Straßenkünstler an einer Kirchenwand in Cordoba dem Klerus vor. Dabei bezieht er sich auf die 30000 »Verschwundenen« während der Militärdiktatur in Argentinien (1976 bis 1983). »Die anarchistischen Bücher sind eine Waffe gegen den Faschismus«, heißt es in Santiago de Chile. Nur wenige Zentimeter unter diesen Fotos an derselben Wand, wendet sich jemand einem ganz anderen Thema zu und fordert »Freiheit für die Tiere«. Was Kunst ist, entscheiden die Leute selbst. Schablonen zum Sprühen werden weitergereicht. »Säubere deine Stadt«, heißt es auch schon mal sarkastisch, auf dem Müll landen Hakenkreuze.

Oft sind Versuche der Zerstörung und des Überstreichens von Parolen zu sehen. Sprayer werden strafrechtlich verfolgt. Doch all das helfe nichts. »Bilder und Parolen sind in den Köpfen, tauchen plötzlich in einem anderen Landstrich wieder auf«, kommentiert Jaska Klocke.


Von Gitta Düperthal

Junge Welt, 18.08.2008

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