Jugendzentrum Bockenheim
Die Initiative »Faites votre jeu« hält seit einem halben Jahr das ehemalige Jugendzentrum Bockenheim besetzt. Bis Donnerstag sollen sie raus. Doch die Künstler wehren sich – und haben prominente Unterstützung. Ein Interview mit dem Sprecher der Initiative, Matthias Schneider.
Herr Schneider, bis zum 15. Januar sollen Sie mit der Initiative »Faites votre jeu« das ehemalige Jugendzentrum Bockenheim verlassen. Wo wird man Sie am 16. Januar treffen können?
Im ehemaligen Jugendzentrum. Wir gehen hier nicht raus. Unser Veranstaltungsprogramm geht weit über den 15. Januar hinaus, und wir sehen keine Veranlassung, davon abzurücken.
Rechnen Sie nicht mit einer Räumung durch die Polizei?
Auch wenn es keine absolute Sicherheit gibt: Ich gehe davon aus, dass die Stadt das Haus nicht räumen lassen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ausgerechnet die Grüne Bildungsdezernentin Jutta Ebeling einen solchen Polizeieinsatz verantworten will. Die Frau lässt sich in den Medien als Achtundsechzigerin feiern. Sie kann kein Interesse daran haben, eine gewaltsame Räumung durchzusetzen.
Aber welche andere Option hat sie denn? Das Gebäude, das Sie besetzen, ist nun mal der Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode versprochen worden.
Ich sehe das Problem. Aber dies ist durch jahrelange Tatenlosigkeit des Bildungsdezernats entstanden und muss dort gelöst werden. Es gibt sicher Alternativen für die Erweiterung der Schule. Die suchen Flächen für ihre Verwaltung, die müssen sie nicht unbedingt in diesem Haus bekommen.
Woher nehmen Sie eigentlich die Legitimation, der Stadt zu erklären, wie Sie mit ihren Gebäuden zu verfahren hat? Ist Ihr Vorgehen nicht eine ziemliche Anmaßung?
Das mögen manche Leute so sehen. Natürlich ist eine Hausbesetzung in der bürgerlichen Gesellschaft nicht von allen akzeptiert. Na und? Schauen Sie sich doch an, von wie vielen verschiedenen Gruppen wir unterstützt werden. Von Künstlern, von Uni-Professoren, vom Chef-Dramaturg der Oper… Daran sieht man doch, dass unser Vorgehen nicht nur von uns für legitim gehalten wird. Fakt ist, dass es für junge Künstler in Frankfurt schwierig bis unmöglich ist, Ateliers und Ausstellungsräume zu finden. Deshalb sehen wir es als zulässig an, wenn wir ein seit sieben Jahren leer stehendes Haus herrichten und für unsere Zwecke nutzen.
Nur soll dieses Gebäude eben demnächst nicht Ihnen, sondern der Schule zur Verfügung gestellt werden. Wussten Sie eigentlich zum Zeitpunkt Ihres Einzugs, dass der Schule das Haus versprochen ist?
Nein, das wussten wir nicht. Hätten wir es gewusst, wären wir hier nicht reingegangen. Ich bin es auch leid, dass ständig die Interessen der Schule gegen unsere Interessen ausgespielt werden. Uns geht es nicht darum, der Schule zu schaden, uns geht es darum, einen offenen Raum für Kunst und Kultur zu finden. Im Übrigen: Als wir das Haus besetzt haben, deutete hier gar nichts darauf hin, dass es demnächst wieder genutzt werden soll. Da waren Dachfenster eingeschlagen und Wasserleitungen angesägt. Ich will niemandem was unterstellen, aber so geht man nicht mit einem Gebäude um, das man noch braucht.
Derzeit sucht die Stadt nach einem alternativen Gebäude für Sie. Wie bewerten Sie diese Bemühungen?
Es gab bislang zwei unbrauchbare Vorschläge. Ein Haus lag in Rödelheim, kurz vor Eschborn, also weit ab vom Schuss. Das andere war in Sachsenhausen und gehörte der Stadt gar nicht.
Sollte noch eine Lösung gefunden werden: Wie stellen Sie sich die Zukunft Ihrer Initiative vor?
Zunächst einmal muss geklärt werden, wie wir einen legalen Status erhalten und das Haus dauerhaft nutzen können. Wir können und wir werden auf eigenen Beinen stehen – auch finanziell. Es gibt viele private Spenden, und wir haben über eine Vereinsgründung nachgedacht. All dies ist jedoch zweitrangig, so lange wir kriminalisiert werden und von Räumung bedroht sind.
Und wenn am 15. Januar doch geräumt wird? Wie geht es dann weiter?
Nochmal: Wir gehen nicht davon aus, dass Jutta Ebeling eine gewaltsame polizeiliche Räumung anordnen wird. Ansonsten müsste sie die Verantwortung übernehmen. Selbstverständlich werden wir nicht tatenlos bleiben und am Tag nach der Räumung eine Demonstration veranstalten. Wir werden uns mit Sicherheit nicht einfach rausschmeißen lassen und dann sagen: Danke, das war’s.
Interview: Kim Behrend und Georg Leppert
Zur Person
Matthias Schneider ist Sprecher der Initiative »Faites votre jeu«, die seit Anfang August vergangenen Jahres das ehemalige Jugendzentrum (Juz) Bockenheim an der Varrentrappstraße besetzt hält. Die Künstler nutzen die Räume als Ateliers und für Ausstellungen.
Bis zum 15. Januar soll die Initiative das Haus räumen – sagt die Stadt. Das Gebäude ist der benachbarten Frankfurter Schule für Bekleidung und Mode versprochen. Für die Künstler sucht die Stadt ein anderes Domizil – bislang jedoch ohne Erfolg.
Zur Solidaritätsdemonstration für die Besetzer des ehemaligen Jugendzentrums trafen sich am Wochenende einige Dutzend junge Leute in Berlin. Unterdessen schicken die Mitglieder der Initiative »Faites votre jeu« und ihre Freunde zahlreiche Postkarten an das Büro der Stadtverordnetenversammlung, um für den Fortbestand des selbst verwalteten Kunst- und Kulturzentrums an der Varrentrappstraße zu werben.
Frankfurter Rundschau, 13.01.2009