Juz Bockenheim
Es ist 12 Uhr mittags an diesem verregneten Wahlsonntag, als Matthias Schneider das Gefühl beschleicht, dass es für ihn und seine Mitstreiter heute eng werden könnte. Der Sprecher der Kulturinitiative »Faites votre jeu«, die seit August das ehemalige Jugendzentrum (Juz)an der Varrentrappstraße besetzt hält, hat vor dem Gebäude mehrere Zivilpolizisten ausgemacht. Als wenig später Mannschaftswagen der Polizei vor dem Haus in Bockenheim stehen, löst Schneider die Telefonkette aus, lässt befreundete Gruppen und Initiativen anrufen und kontaktiert Anwälte. Seine Botschaft: »Die Räumung des Juz steht bevor.«
Die Polizei hat das Juz am Sonntag nicht geräumt. Der Einsatz habe aber mit den Besetzern zu tun gehabt, sagt Polizeisprecher Manfred Füllhardt. »Einige von ihnen wurden in einem Wahllokal an der Hamburger Allee gesehen.« Als reine Vorsichtsmaßnahme habe die Polizei die Einsatzkräfte in Bockenheim zusammengezogen. Und so kreisen am Sonntagmittag etwa zehn Mannschaftswagen rund um das Gebäude.
Matthias Schneider will nicht glauben, dass der ganze Einsatz dem Schutz eines Wahllokals diente. Zwar sei im besetzten Haus am Abend eine Wahlparty geplant gewesen, »aber niemand hatte vor, irgendeine Aktion vor oder in einem Wahllokal zu starten.« Für ihn ist der Einsatz der Beamten vor allem eines: eine Provokation.
Zugleich habe die Polizei wohl einmal austesten wollen, wie die Besetzer reagieren, wenn eine Räumung bevorsteht, sagt Schneider: »Die wollten sehen, wie schnell wir Leute mobilisieren können.« Das Ergebnis lautet: Sehr schnell. Schon kurz, nachdem die Initiative »Faites votre jeu« Alarm geschlagen hat, sind knapp 100 Menschen im Jugendzentrum, die überwiegend links gerichteten Gruppen angehören. Gemeinsam hätten sie sich gegen eine Räumung heftig gewehrt, sagt Matthias Schneider.
Für ihn bleibt es dabei: Das Juz wird nicht verlassen, so lange die Stadt kein geeignetes alternatives Domizil für die Initiative bereit gestellt hat. Eine »gewaltsame Räumung« durch die Polizei habe alleine Bildungsdezernentin Jutta Ebeling (Grüne) zu verantworten. Die Politikerin hatte die Initiative in der vergangenen Woche ausdrücklich aufgefordert, das ehemalige Juz zu verlassen, da die Stadt das Gebäude der benachbarten Frankfurter Schule für Mode und Bekleidung versprochen hat.
Zumindest am heutigen Montag werde es aber noch keine Räumung geben, hat Schneider von den Polizisten erfahren. Ob er das glauben soll, weiß er nicht.
Frankfurter Rundschau, 19.01.2009
von Georg Leppert