Mit dem Ablauf der Nutzungszusage am 15. Januar 2009, geht das Spiel um das ehemalige JUZ Bockenheim in der Varrentrappstraße 38 in die nächste Runde. Nachdem sich im JUZ viele Leute mit der Initiative »Faites votre jeu!« engagieren und den Großteil der baulichen Mängel in Eigenregie behoben haben, hat sich ein regelmäßiges Kunst- , Kultur- und Alltagsprogramm entwickelt. Parallel gelang es speziell im Stadtteil und in der Kunstszene der Stadt Frankfurt einen Unterstützerkreis aufzubauen.
Insofern dürften auch die Versuche der zuständigen städtischen Dezernentin für Bildung und Frauen Jutta Ebeling (Grüne), vorläufig eine Räumung ohne Bulleneinsatz zu erreichen, verstanden werden. Würde es sich doch gar nicht gut in der Vita der selbsternannten »Alt 68erin« machen, ein von großen Teilen der städtischen Kunstszene unterstütztes besetztes JUZ mit massiver Bullengewalt zu räumen.
Am 18. Dezember veranstaltete »Faites votre jeu!«, eine öffentliche Pressekonferenz, bei der sie die Zweigleisigkeit und Unzuverlässigkeit der städtischen VertreterInnen in den Verhandlungen dargestellten. So wurde in der Öffentlichkeit immer versucht den Eindruck zu vermitteln, die Stadt sei ernsthaft bemüht eine Lösung für das Projekt und die NutzerInnen zu finden. Dies ist wohl nicht zuletzt auf den Druck durch die starke Unterstützung von antifaschistischen und linksradikalen Gruppen, über Studierendenvertretungen und Gewerkschaften, bis hin zu kulturellen und künstlerischen Projekten zurückzuführen, und auf die immer breiter werdende Solidarisierung von ProfessorInnen und Lehrbeauftragten der Goethe-Uni und der Kunsthochschulen HfBK Städelschule und HfG Offenbach. Auf der anderen Seite hält die Stadt, die das denkmalgeschützte Gebäude seit über sieben Jahren dem Verfall preisgegeben hat, an der Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch fest.
Die von der Stadt angebotenen Ersatzobjekte dürfen wohl getrost als Farce bezeichnet werden: Das erste, ein Wohnhaus in der Lorscher Straße ist wegen der viel zu kleinen Räume und der dezentralen Lage weder für Ausstellungen noch sonstige öffentliche Veranstaltungen geeignet und war außerdem vorher als günstiger Wohnraum für sozialschwache Familien vorgesehen. Bei dem zweiten Haus in der Paradiesgasse – das durchaus geeignet gewesen wäre – stellte sich heraus, dass es sich gar nicht im Besitz der Stadt Frankfurt befindet und die BesitzerInnen andere Nutzungspläne für das Haus haben.
Den städtischen VertreterInnen muss klar sein: Kampflos werden wir das Haus, in das wir hunderte Arbeitsstunden und private Mittel investiert haben, um es instand zu setzen und das sich dank des vielfältigen Engagements im Stadtteil etabliert hat nicht aufgeben. Die Initiative wird das Gebäude, hat, auch nach dem 15. Januar nicht verlassen.
Bewusst wurde dieses Gebäude besetzt, da es zum einen als Sinnbild der städtischen Politik dient, in der immer weniger Raum für unkommerzielle und selbstverwaltete Projekte zur Verfügung steht, während auf der anderen Seite immer mehr Gebäude leerstehen und nicht genutzt werden. Außerdem bot es ausreichend Platz für die Vielzahl an geplanten Projekten und steht als ehemals besetztes JUZ bereits in der Tradition von Selbstorganisation und emanzipativer, linksradikaler Politik. Ziel ist in den besetzten Räumen langfristig ein selbstverwaltetes Kunst- und Kulturzentrum zu schaffen.
Uneingeladen erschienen war der Schulleiter der angrenzenden Schule für Bekleidung und Mode Malte Lütjens, der in den Räumen lieber ein Verwaltungsgebäude für seine Schule sähe. Schon sein Diskussionsverhalten während der Pressekonferenz diskreditierte seine mehr als schwachen Ausführungen und sorgten dafür, dass sich sogar ein anwesender Pressevertreter zur der Äußerung hinreißen ließ, was für ein Arschloch der Mann sei.
Die Häuser denen die sie nutzen
Nach der Besetzung im August ist ein selbstverwaltetes, unkommerzielles Zentrum entstanden. Es ist zu einem Treffpunkt für Menschen geworden, die hier gemeinsam an Kunst- und Kulturprojekten arbeiten und gibt den Raum für politische Diskussionen und Veranstaltungen.
Das Erdgeschoss bietet ausreichend Platz für Lesungen, Infoveranstaltungen, den dienstäglichen Barabend und den sonntäglichen »Fragwürdigen Filmabend«. Im Sport- und Trainingsraum finden Selbstverteidigungskurse statt und in der eingerichteten Küche gibt es jeden Mittwoch die »Faites votre cuisine!«, bei der es leckeres Essen gegen Spende gibt. Der Vorraum und die zweieinhalb Ausstellungsräume im ersten Stock beherbergten schon in dem knappen halben Jahr sechs Ausstellungen mit circa 40 KünstlerInnen. Im »Roten Salon«, einem mit Liebe zum Detail, klassizistisch eingerichteten Aufenthaltsraum, findet nicht nur Mittwochs die ”autonome Gamble-Night“ statt. Die Bühne im zweiten Stock kann für größere Lesungen, Diskussionsveranstaltungen und Konzerte genutzt werden. Im Jugendantifa-Raum mit Tischkicker findet jeden Mittwoch ab 16 Uhr das SchülerInnen-Cafe statt. Weitere Räume im zweiten und dritten Stockwerk stehen als offene Ateliers zur Verfügung. Der von »Faites votre media!« – einem kritisch, emanzipativen Filmprojekt – eingerichtete Medienraum mit angrenzendem Fotolabor, wird für Bild-, Ton- und Video-Bearbeitung genutzt. Im Keller existieren ein Werkstattraum, ein Umsonstladen und die »Kellerklause«. Ein Bandproberaum wird im Moment eingerichtet.
Neben den regelmäßigen Terminen hat es im letzten halben Jahr bereits zahlreiche Veranstaltungen gegeben. Neben diversen Info- und Diskussionsveranstaltungen (z.B. zur Nachttanzdemo, dem in Erfurt besetzten Haus, dem Anti-Repressions-Kongress) fanden ein Zeitzeugengespräch mit dem Widerstandskämpfer und Antifaschisten Ernesto Kroch und eine Reihe von Autorenlesungen im Rahmen der GegenBuchMasse statt. Außerdem haben nach fast zehn Jahren Pause verschiedene Bands aus Berlin, Argentinien und den USA an dem Ort gespielt, der in den achtziger und neunziger Jahren – auch über Frankfurts Grenzen hinaus – für seine Konzerte berühmt war.
Das Programm im Haus geht jedenfalls schon jetzt selbstbewusst bis in den Februar hinein. Mit der Ausstellung »The Real Estate Show« der Free Class FFM mit Studenten der HfBK Städelschule und HfG Offenbach, die durch Städelschule Portikus e.V. gefördert und seit dem 9. Januar läuft und die Veranstaltungsreihe »Faites votre éducation! – Bildung ist mehr als im Lehrplan steht« – unter anderem mit Marcus Balzereit, Prof. Dr. Micha Brumlik, Prof. Dr. Helga Cremer, Prof. Dr. Verena Kuni, Dr. habil. Benjamin Ortmeyer und Prof. Dr. Birgit Richard – kann es sich auf jeden Fall sehen lassen.
Swing – autonomes Rhein-Main-Info, Januar/Februar 2009, Nr. 156