Kommentar

Verwirrung beginnt immer mit einer Unklarheit der Begriffe. Wenn jemand in ein Baus einzieht, das ihm nicht gehört, ist das kein Akt der »Selbstverwaltung«, sondern ein Rechtsverstoß. Ist der erst einmal. geduldet, geht alles Weitere wie von selbst.

Seit dem vergangenen Sommer halten mehrere Dutzend Leute, überwiegend Studenten, ein Haus in Bockenheim besetzt. Sie haben dort eingerichtet, was sie ein »selbstverwaltetes Kunst- und Kulturzentrum« nennen. Das Haus gehört aber nicht ihnen, sondern der Stadt. Sie hat der Schule für Mode und Bekleidung, die dringend mehr Platz braucht, zugesagt, dass sie dort unterkomme.
War das Haus erst einmal besetzt, lief alles nach dem Prinzip „Frechheit siegt“. Ganz Herr im Haus, ließen die Eindringlinge die Stadt wissen, sie zögen erst aus, wenn sie ein »Ersatzobjekt« angeboten bekämen, und zwar nicht irgendeines, sondern ein »attraktives«. Bildungsdezernentin Jutta Ebeling (Die Grünen) beschieden sie gönnerhaft, man sei „gern bereit“ zu einem Gespräch mit ihr.

Nun mochte es Gründe geben, die Besetzer nicht gleich am ersten Tag von der Polizei aus dem Haus tragen zu lassen, aber dass die Stadt einem »Vermittler« zustimmte, statt die Dinge beim Narnen zu nennen, war gespenstisch. Spätestens seitdem haben die Besetzer Oberwasser. Bizarr auch, wie sich der Pädagogikprofessor Micha Brumlik als Emissär ins Spiel brachte – vielleicht geht ja einmal jemand der Frage nach, ob es zu den Obliegenheiten eines Hochschullehrers der Goethe-Universität gehört, zwischen Eigentümern und Hausfriedensbrechern zu »vermitteln« .

Dass die Besetzer unterdessen ein Ultimatum der Stadt verstreichen ließen, versteht sich nach der Vorgeschichte von selbst. Warum sollten sie ausziehen, da ihnen die Stadt vor lauter Deeskalation doch ein ums andere Mal nachgegeben hatte? Bei den Grünen mag Schwärmerei über die eigene Vergangenheit im Spiel gewesen sein, allerdings geht es diesmal nicht gegen »Spekulanten«, die Wohnraum vernichten, sondern gegen die Stadt, die eine Ausbildungsstätte angemessen unterbringen will, Warum die CDU die Indolenz ihres Koalitionspartners so Iange schweigend hingenommen hat, ist schleierhaft.
Der Magistrat hat es jedenfalls so weit kommen lassen, dass sich die Besetzergrupe in der Lage sieht, Bedingungen zu stellen. Die »derzeitigen Konditionen«, zu denen ihr ein Teil des ehemaligen Gefängnisses »Klapperfeld« angeboten werden, nannte sie »nicht akzeptabel« – und überhaupt: ein ehemaliges Gefängnis, in dem Menschen geschunden wurden! Als Nächstes sollte die Stadt den Römer offerieren.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung, 03.02.2009
Von Werner D’lnka

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