Frankfurt/Main (ddp-hes). Frankfurts Hausbesetzer von heute sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Sieben Monate nach der überraschenden Besetzung einer Villa in der Varrentrappstraße zieht die Kulturinitiative »Faites votre jeu!« ins ehemalige Polizeigewahrsam in der Klapperfeldstraße. Freiwillig. Die Stadt Frankfurt stellt ihnen das Gebäude zur Verfügung, Miete soll wohl nur symbolisch gezahlt werden. »Und wenn die endlich mit ihrem Raumkonzept fertig sind, bauen wir auch eine Heizung ein«, sagt Michael Damian, Sprecher des Bildungs- und Frauendezernats. Das aber dauere noch, denn »die praktizieren Basisdemokratie«, sagt er über Hausbesetzer.

Der geplante Einzugstermin Anfang März wird daher möglicherweise nicht zu halten sein. Und doch sind beide Seiten froh über die nun einvernehmliche Lösung. Als zuständige Dezernentin wollte Jutta Ebeling (Grüne) den Hausbesetzern zu Räumlichkeiten verhelfen und gleichzeitig die Villa in der Varrentrappstraße – wo die Initiative im August 2008 unaufgefordert eingezogen war – wieder leer haben. Das Haus war der benachbarten Modeschule zugesagt, deren Verwaltung dort einziehen soll. »Die Villa ist jetzt in einem besseren Zustand als vorher«, sagt Damian: »Die Mängel bei der Elektrik waren vorher teils lebensgefährlich.« Weil die Stadt darauf bestand, und auch aus eigenem Antrieb hätten die Besetzer verputzt und gestrichen.

»Faites votre jeu!« (zu Deutsch: »Macht euer Spiel!«), ein loser Zusammenschluss von rund 50 Leuten, will in der Stadt einen Ort für Kultur abseits des Mainstreams etablieren. »In Frankfurt fehlt so ein Raum«, sagt der 24-jährige Politologiestudent Nils, der zudem noch Videokünstler ist und bei der spontanen Hausbesetzung in der Varrentrappstraße von Anfang an dabei war. »In der Villa haben wir in den vergangenen Monaten Ateliers und eine Werkstatt eingerichtet. Und auch einige Konzerte und Ausstellungen organisiert«, sagt er. Bei einer Schau hatte sich sogar die Städelschule beteiligt.

Im Januar dann machte Ebelings Dezernat der Initiative das Angebot, gegen eine »symbolische« Miete in das ehemalige Polizei- und Gerichtsgefängnis in der Klapperfeldstraße zu ziehen. Genutzt werden können rund 400 Quadratmeter im Erdgeschoss, ein Keller, rund 20 Häftlingszellen sowie der Gefängnishof. Die Offerte wurde von der Gruppe basisdemokratisch durchdiskutiert. Denn, sagt Nils, »das mit der Klapperfeldstraße ist ein Riesending und nicht ohne«. Die Räume waren nämlich zur NS-Zeit auch Gestapo-Gefängnis – eine Geschichte, die »Faites votre jeu!« nun aufarbeiten will.

Bereits jetzt hätten die künftigen Klapperfeld-Aktivisten zwei ehemalige Gestapo-Häftlinge gefunden und befragt, berichtet Nils. Doch noch stehe viel Arbeit bevor, bis die Historie des Gewahrsams umfassend dargestellt werden könne. Ein Vorteil sei auf jeden Fall, dass ihr zukünftiges Domizil hinter der Konstablerwache und nahe des Gerichts weniger Nachbarn habe. »Wegen der Konzerte und der Bands, die bei uns proben können sollen«, erläutert er. Einige Bewohner der Varrentrappstraße, die sich über Lärm beschwert hatten, werden wohl aufatmen: »Insgesamt haben uns die Nachbarn aber gut aufgenommen.«

Eine polizeilich durchgesetzte Wohnungsaufgabe (umgangssprachlich auch »Räumung«) steht der Villa nicht mehr bevor. Der vor einigen Fenstern noch hängende »Tränengasschutz« kann weg. »Die Lösung, die wir in Frankfurt gefunden haben, ist bundesweit einmalig«, sagt Damian. Die Stadt habe von Beginn an den Konflikt gewaltfrei lösen wollen. Auch Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) habe gleich nach der Besetzung entschieden: »Hinfahren, schauen, was sich machen lässt.«

Gleichwohl habe in der schwarz-grünen Rathaus-Koalition nicht immer Einigkeit über das Vorgehen der Stadt geherrscht, berichtet Damian. Dass das zuständige Dezernat unter Grünen-Leitung steht, sei für die Initiative wohl auch ein »Riesenglück« gewesen, ergänzt er. ddp/hos/ple


www.ad-hoc-news.de, 17.02.2009
Von Stefan Höhle

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