1886 – Die Entstehung des »Klapperfeldes«

Der heutige Standort des ehemaligen Polizeigefängnisses in der Klapperfeldstraße 5 war schon lange Zeit Ort der Ausgrenzung. Bereits im 16. Jahrhundert befand sich hier ein Pest- und später ein Armen-, Waisen- und Zuchthaus. 1866 wurde Frankfurt kurz nach Beginn des Preußisch-Österreichischen Krieges von der preußischen Armee besetzt und dann durch Preußen annektiert. In Folge dessen wurde in Frankfurt erstmals ein eigenständiger Polizeiapparat unter Führung eines Polizeipräsidenten installiert.

1886 wurde das Polizeigefängnis zusammen mit dem damals an die Zeil grenzenden Polizeipräsidium fertiggestellt. Die Flur- und Straßenbezeichnung »Klapperfeld« setzte sich umgangssprachlich als Name für das Gefängnis durch. Frankfurt gemeindete im Laufe der folgenden Jahrzehnte zahlreiche umliegende Orte ein und verdoppelte seine Fläche gegenüber der Zeit vor 1866. In dieser Zeit wurden die polizeilichen Befugnisse erweitert und der Apparat immer weiter ausgebaut. Am Hohenzollernplatz (heute: Platz der Republik) in der Nähe des Hauptbahnhofs entstand ein neues, größeres Polizeipräsidium, das 1914 bezogen wurde. Das ehemalige Präsidium neben dem »Klapperfeld« ging in den Besitz des Oberlandesgerichts über. Das Polizeigefängnis wurde jedoch – neben den zusätzlichen Zellen im neuen Präsidium im Bahnhofsviertel – weiterhin genutzt.

1933-1945 – Das »Klapperfeld« als Ort nationalsozialistischer Verfolgung

Ab 1933 diente das Polizeigefängnis in der Klapperfeldstraße unter anderem der Frankfurter Gestapo zur Inhaftierung. Einige Gefangene wurden während ihrer Haft immer wieder in die Gestapo-Zentrale gebracht, um dort gefoltert und verhört zu werden – andere waren direkt vor Ort den grausamen Behandlungen durch Gestapo oder SS ausgesetzt. Auch die Dauer, die Menschen im »Klapperfeld« verbringen mussten, unterschied sich beträchtlich: Während manche über Monate oder gar Jahre eingesperrt waren, kamen andere nach kurzer Zeit entweder in andere Gefängnisse, in Konzentrations- und Vernichtungslager oder direkt zu ihrer Hinrichtung. Bernhard Becker, das Mitglied einer widerständigen katholischen Jugendgruppe, sah sich noch im »Klapperfeld« zum Suizid gezwungen, um nicht unter Folter die Namen seiner Freunde verraten zu müssen. Er nahm sich am 14. Dezember 1937 im »Klapperfeld« das Leben, indem er Nägel aus den Holzdielen seiner Zelle schluckte.

Da es der Gestapo gelang, kurz vor dem Eintreffen der amerikanischen Truppen einen großen Teil ihre Unterlagen zu vernichten, bleibt vieles – auch das »Klapperfeld« betreffend – im Unklaren. Trotz der schlechten Quellenlage belegt unter anderem das mit Hans Schwert geführte Zeitzeugengespräch, dass die Gestapo auch hier brutal folterte. Als KPD-Mitglied war Hans Schwert im August 1936 im Polizeigefängnis inhaftiert und dort – in den 12 Monaten bis zu seiner Verurteilung vor dem Kasseler Sondergericht – mehrfach verprügelt und misshandelt worden.

Auf Grund von Denunziationen wurden auf Weisung der NSDAP-Gauleitung auch Jüdinnen und Juden – besonders aus sogenannten »Mischehen« – verhaftet und in das Polizeigefängnis in der Klapperfeldstraße gebracht. Im obersten Stockwerk befand sich im Frühjahr 1943 eine sogenannte »Judenabteilung«, die ausschließlich der Gestapo unterstand. Die Gefangenen waren dort in käfigartigen Drahtverhauen untergebracht. Unterdessen versuchten Angehörige der Inhaftierten, die sich mitunter stundenlang vor dem »Klapperfeld« aufhielten, Informationen über ihre Ehepartner_innen oder Elternteile herauszufinden. Häufig wurde durch Pfiffe versucht Kontakt von außen aufzunehmen. Hin und wieder gelang es aber auch kleine geschriebene Botschaften herein- und herauszuschmuggeln. Nach einigen Wochen wurden die Inhaftierten dann zumeist nach Auschwitz deportiert. Im Unterschied zu den Massendeportationen von Jüdinnen und Juden in den Jahren 1941/1942 erfolgte die »Überführung« in Sonderwägen oder Sonderabteilen regulärer Züge von Gleis 21 des Frankfurter Hauptbahnhofs. Aus dem Konzentrations- und Vernichtungslager kamen dann nach kurzer Zeit die Todesmitteilungen. So erging es auch der Mutter von Wolfgang Breckheimer, die am 8. Februar 1943 von der Gestapo verhaftet und in das »Klapperfeld« gesperrt wurde. Nach etwa drei Monaten wurde Cäcilie Breckheimer nach Auschwitz deportiert, wo sie laut Sterbeurkunde der SS am 26. Juli 1943 an sogenannter »allgemeiner Körperschwäche« verstorben sei.

Nach 1945 – Gewahrsam und Abschiebehaft im »Klapperfeld«

Trotz der Nutzung durch die Gestapo diente das »Klapperfeld« auch nach 1945 weiterhin als Gefängnis, was zunächst daran lag, dass es während des zweiten Weltkrieges nahezu unbeschädigt geblieben war. Das angrenzende ehemalige Polizeipräsidium ist jedoch komplett zerstört worden.

Im »Klapperfeld« wurden allerdings nicht nur straffällig gewordene Erwachsene inhaftiert. In Zusammenarbeit mit der Polizei nutzte die Abteilung »Heimatlose Jugend« des Frankfurter Jugendamtes das Polizeigefängnis auch zur Unterbringung von sogenannten »entwichenen FührsorgezoÅNglingen« zwischen 14 und 18 Jahren. Männliche Ausreißer in diesem Alter wurden grundsätzlich inhaftiert, Ausreißerinnen bei »renitentem« Verhalten. Obwohl die Minderjährigen laut Jugendamt nicht länger als 3 Tage ins »Klapperfeld« gesperrt sein sollten, geht aus deren Akten zum Beispiel der Fall des am 26. April 1934 geborenen Udo Manfred Schmidt hervor, der vom 30. März bis zum 15. Mai 1950 inhaftiert worden war. Bei weiblichen Jugendlichen wurde von dieser Praxis Ende der fünfziger Jahre abgesehen, bei männlichen Jugendlichen findet sich ein letzter Verweis auf die Unterbringung im Polizeigefängnis in einem Aktenvermerk aus dem November 1961.

Insbesondere während der Studierendenproteste der 60er Jahren gewann das Polizeigefängnis für den staatlichen Repressionsapparat aufgrund der hohen Zahl von Verhaftungen an Bedeutung. Auch bei Protesten in den nächsten Jahrzehnten wurden zahlreiche Demonstrant_innen in vorübergehenden Gewahrsam genommen, wie zum Beispiel während der Proteste gegen die Startbahn West.

Auch als Günter Sare am 28. September 1985 bei den Protesten gegen eine NPD-Veranstaltung im Gallus von einem Wasserwerfer überrollt und getötet worden war, kam es in den folgenden Tagen zu heftigen Protesten, bei denen zeitweise mehrere hundert Demonstrant_innen in das »Klapperfeld« gesperrt wurden. Dabei verlor die Polizei an einem Tag die Kontrolle über die Inhaftierten. In einer Sammelzelle im 2. Stock gelang es den Gefangenen mit Hilfe von Bänken, die sie aus der Wand gebrochen hatten, ein Loch in die Außenwand des Gefängnisses zu schlagen. Daraufhin beschoss ein Wasserwerfer von außen das Gefängnis mit Wasser und Tränengas – mehrere Gefangene wurden verletzt, mussten sich übergeben und litten an extremen Hautreizungen.

Am 29. Mai 1993 kam es – in der Folge des Brandanschlages auf das Haus der türkischen Familie Genç in Solingen, bei dem fünf Menschen zwischen 4 und 27 Jahren von Neonazis ermordet worden waren – zu einer spontanen Solidaritätsdemonstration in Frankfurt. 63 Teilnehmer_innen wurden verhaftet und bereits bei den Festnahmen verprügelt und misshandelt. Übereinstimmend berichteten die Gefangenen, dass auch bereits mit Handfesseln fixierte Menschen von der Polizei in den Gefangenentransporter geprügelt worden waren. Im »Klapperfeld« angekommen, wurden sie entwürdigenden Anal- und Genitaluntersuchungen ausgesetzt und weibliche Gefangene zum Teil nackt verhört. Immer wieder wurden sie dabei geschlagen, getreten, gewürgt, verhöhnt und beleidigt.

Zur letzten größeren Inhaftierung nach einer Demonstration kam es am 1. Mai 2001 als in Frankfurt mehrere tausend Menschen erfolgreich einen Naziaufmarsch verhinderten. 110 Demonstrant_innen wurden an diesem Tag in Gewahrsam genommen, der überwiegende Teil im »Klapperfeld«. In den letzten Jahren der Nutzung war der Bau vor allem Abschiebegefängnis. Bezeichnend ist der Umstand, dass die durch den Staat illegalisierten Flüchtlinge nicht nur mehrere Stunden oder wenige Tage inhaftiert waren, sondern mitunter wesentlich länger unter miserablen Bedingungen in den viel zu kleinen und dunklen Zellen ihr Dasein fristen mussten. Die Abschiebung bedeutet für die Flüchtlinge in der Regel den Weg in Armut, Verfolgung, Folter, Krieg oder gar den Tod.

Jenseits der genannten Gründe für Inhaftierungen war das »Klapperfeld« natürlich ganz allgemein ein Ort, an den Menschen gebracht wurden, die in irgendeiner Form von den jeweiligen gesellschaftlichen Normen abwichen oder dessen verdächtigt wurden.

Trotz der Tatsache, dass selbst von offizieller Seite anerkannt wurde, dass die Haftbedingungen nicht den Mindestanforderungen entsprachen und schon Ende der fünfziger Jahren über eine Schließung diskutiert worden war, ist das »Klapperfeld« erst im November 2001 – in Zusammenhang mit der Fertigstellung des neuen Polizeipräsidiums an der Adickesallee – zumindest offiziell geschlossen worden. Deshalb erscheint es umso erstaunlicher, dass es verschiedene Hinweise gibt, die darauf schließen lassen, dass das Gefängnis deutlich länger genutzt wurde. So finden sich zum Beispiel in vielen Zellen Graffitis von Häftlingen, die mit den Jahren 2002 beziehungsweise 2003 datiert sind. Auch wenn Haft, Gefangenschaft und jede andere Form von Freiheitsentzug immer Entwürdigung und Entmenschlichung der Inhaftierten zur Folge haben, kann man im »Klapperfeld« feststellen, welch miserable und unhygienische Zustände dort noch bis zur endgültigen Schließung geherrscht haben.

Der Arbeitskreis Geschichte

Anfang Februar stand die Initiative »Faites votre jeu!« vor der Frage, ob sie das ehemalige Gefängnis »Klapperfeld« als Ersatzobjekt für das im August 2008 von Ihr besetzte ehemalige Jugendzentrum in Bockenheim annehmen sollte.

In heftigen Diskusionen stellte sich die Initiative die Frage, ob sie ihre ursprüngliche Arbeit – die vorher in der Varrentrappstraße gemacht wurde – in diesen Räumen fortsetzen könnte. In einem Bau – in dem die Gestapo während des Nationalsozialismus gefoltert und gemordet hatte und in dem noch bis vor wenigen Jahren Abschiebehäftlinge inhaftiert waren – Infoveranstaltungen, Ausstellungen, Barabende oder gar Konzerte und Partys zu veranstalten, ohne eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des ehemaligen Gefängnis zu führen, kam für die Initiative nicht in Frage. Deshalb fanden sich bereits im Februar Menschen aus der Initiative und ihrem Umfeld im Arbeitskreis Geschichte zusammen. Im Mittelpunkt der Arbeit steht die Auseinandersetzung mit der über hundertjährigen Gefängnisgeschichte. Deneben liegt der Fokus auch auf der gesellschaftlichen Bedeutung von Knast, Repression und Disziplinierung an sich.

In Bibliotheken und Archiven wurde recherchiert, um Dokumente und Literatur zur Historie des ehemaligen Polizeigefängnisses ausfindig zu machen. Außerdem wurden biografische Interviews mit Zeitzeug_innen geführt, die Auskunft über die Lebens- und Verfolgungsgeschichten von ehemals im »Klapperfeld« Inhaftierten geben.

Die ersten Ergebnisse und Auszüge aus den Interviews präsentierte der Arbeitskreis am 1. Juli auf der ersten öffentlichen Veranstaltung im »Klapperfeld«. Außerdem wurde ein Informationsblatt verfasst, aus dem – kurz & bündig – die ersten Ergebnisse hervorgehen. Das Blatt unter dem Titel »Was ist das hier?« bekommen alle Interesierten auf Papier bei einem Besuch im »Klapperfeld« oder digital auf: www.faitesvotrejeu.tk.

Dauerausstellung zur Geschichte des ehemaligen Gefängnisses »Klapperfeld«

Neben dem Informationsblatt und der Auftaktveranstaltung hat der Arbeitskreis Geschichte am 9. August nun auch den ersten Teil ihrer Dauerausstellung zur Geschichte des Gefängnisses »Klapperfeld « in Frankfurt eröffnet.

Der erste Teil der Dokumentation beschäftigt sich mit der NS-Vergangenheit des Gefängnisses. Die Ausstellung zeigt anhand von Tafeln, videografischen Interviews mit Zeitzeug_innen und dazugehörigen Materialsammlungen die ersten Ergebnisse der Recherche des Arbeitskreises.

Die Ausstellung kann während allen öffentlichen Veranstaltungen besucht werden, zusätzlich sind noch regelmäßige Führungen geplant. Weitere Infos auf: www.faitesvotrejeu.tk


Download als PDF: Polizeigefängnis »Klapperfeld« (Seite 30-31)


AStA-Zeitung der Goethe-Uni, Ausgabe August 2009

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