Angst und Schrecken ist in die Mauern eingedrungen und noch heute zu spüren. (Bild: Arnold)

Initiative »Faites votre jeu«

Wenn Hans Schwert von seiner Gefangenschaft erzählt, ist seine Stimme nach wie vor klar und fest. Der 102-Jährige berichtet chronologisch geordnet, durchgängig, ohne größere Pausen. Manchmal schweift er kurz vom Thema ab, um dem Zuhörer Zusammenhänge zu erläutern, kehrt jedoch immer wieder genau an den Punkt zurück, an dem er abgewichen ist. Dann spricht er weiter, über seine Festnahme, die Verhöre durch die Gestapo, die Schläge. Manchmal schließt Hans Schwert die Augen. Dann ahnt man, dass sich einige qualvolle Bilder für immer in sein Gedächtnis eingebrannt haben. Genau wie der Ort, an dem sich all dies zugetragen hat: Das Polizeigefängnis Klapperfeld.

Der Bericht des ehemaligen KPD-Mitglieds Schwert läuft im Keller der ehemaligen Haftanstalt Klapperfeld in einer Dauerschleife. Besucher können sich das Videointerview, das von Mitgliedern der Initiative „Faites votre jeu“ bereits im Februar geführt wurde, auf einem kleinen Bildschirm ansehen, der Ton kommt aus Kopfhörern. Zusammen mit einem weiteren Interview und Informationstafeln bildet es den ersten Teil einer Dauerausstellung über die Geschichte des Gebäudes, dessen dunkles Untergeschoss, über 70 Jahre nachdem Schwert hier gefoltert wurde, immer noch einschüchternd wirkt.

„Das ist ein Anfang“, betont Mirja Keller, Sprecherin des Arbeitskreises „Geschichte“, dessen Mitglieder sich die Aufarbeitung der Historie des ehemaligen „Polizeigewahrsams Klapperfeld“ vorgenommen hat. Im Mittelpunkt des am Sonntag eröffneten Teils steht das „Klapperfeld“ als Ort nationalsozialistischer Verfolgung. In den kommenden Monaten und Jahren – so die Hoffnung der Initiatoren – soll die Dauerausstellung weiter wachsen, irgendwann die gesamte 125-jährige Nutzungsgeschichte der Haftanstalt abbilden. „Es gibt noch viel aufzuarbeiten“, erklärt Mirja Keller.

Anfang der Dauerausstellung

Mit der Einweihung am Sonntag sind die autonomen Kulturschaffenden von „Faites votre jeu“ wohl endgültig im „Klapperfeld“ angekommen. Bereits seit Ende April sind sie mit der Renovierung der ihnen überlassenen Stockwerke beschäftigt. Dabei hatte es noch im Januar nicht danach ausgesehen, als ob sich die Initiative, die im August 2008 das leer stehende Jugendzentrum in der Bockenheimer Varrentrappstraße besetzt und zu einem unabhängigen Kulturzentrum ausgebaut hatte, mit dem ehemaligen Knast als neuem Domizil anfreunden könnte. Hauptargument gegen die Umzug war ausgerechnet die Vergangenheit des Gebäudes. „Wir haben Bedenken, in einen Bau umzuziehen, in dem die Gestapo gefoltert und gemordet hat“, sagte damals eine Sprecherin. Erst nach langen internen Diskussionen und einem Ultimatum der Stadt, die das besetzte Jugendzentrum bereits der Schule für Mode und Bekleidung versprochen hatte, entschied sich die Gruppe zum Umzug.

Inzwischen sei man „froh“, die geschichtspolitische Aufarbeitung übernommen zu haben, erklärt Mirja Keller. Die gestalte sich zwar teilweise schwierig, auch weil sich die Gruppenmitglieder Kenntnisse und Methoden selbst aneignen müssten, dennoch solle die Arbeit fortgesetzt werden – und zwar selbstständig, ohne die Einflussnahme städtischer Institutionen. „Wir sind nicht das gute Gewissen der Stadt. Wir wollen keinen Schlussstrich unter die Geschichte des Klapperfeld ziehen“, so Keller.

Künftige Teile der Dauerausstellung werden sich unter anderem mit der ab 1943 im Klapperfeld beheimateten „Judenabteilung“ der Gestapo und der Nutzung als Abschiebegefängnis befassen.

Das Klapperfeld

Das ehemalige Polizeigewahrsam wurde im Jahre 1886 zusammen mit dem daran angrenzenden Polizeipräsidium erbaut. Ab 1933 diente es auch der Gestapo zur Inhaftierung von politischen Gefangenen und jüdischen Mitbürgern. Noch bis 2001 wurde das Klapperfeld unter anderem als Abschiebegefängnis genutzt.

Faites votre jeu nennt sich eine autonome Initiative von jungen Künstlern, die sich im vergangenen Jahr gegründet hat. Für Schlagzeilen sorgten sie im August 2008 durch die Besetzung des ehemaligen Jugendzentrums in der Varren-trappstraße. Nach zähen Verhandlungen mit der Stadt wurde der Initiative im April das „Klapperfeld“ als Ersatzobjekt zur Verfügung gestellt.

Frankfurter Rundschau, 10.08.2009
Von Danijel Majic

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