Studierende machen das einstige Gefängnis an der Klapperfeldstraße zur Theaterbühne
Der Mensch ist doch auch im Kreise jeglicher Freunde immer nur alleine. Froh kann ich nur in meiner eigenen Gesellschaft sein – das kann man nicht unter Menschen.“ Es war eine eher düstere Sicht auf die Welt, die Studierende der Frankfurter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, der Goethe-Uni, der Bildenden Kunstuniversität Wien und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg am Wochenende verbreiteten.
„Auf der Kippe – Selbstmord- experiment in geschlossener Gesellschaft“ heißt ihr Theaterstück, dessen Text sie aus weltberühmten Werken zusammengestellt und selbst inszeniert haben. Ihre Bühne: der Hof des ehemaligen Gefängnisses an der Frankfurter Klapperfeldstraße.
Da passt es gut, dass rund um das neue Domizil der Initiative „Faites votre jeu!“, die sich politisch, kulturell und künstlerisch engagiert und im vergangenen Jahr vor allem durch die Besetzung des alten Jugendzentrum in der Bockenheimer Varrentrappstraße Aufsehen erregte, immer noch der alte Stacheldraht befestigt ist. Die Gitterstäbe und Nachrichten an den Zellenwänden im Inneren des Gebäudes zeugen von der 125-jährigen Geschichte des Gebäudes und der Sehnsucht nach Freiheit.
„In unserem Stück ist die Sprache das Gefängnis, da ist der Ort hier geradezu ideal“, erklärt Dramaturgin Hannah Abels wenige Minuten vor der Premiere am Samstag. Sie studiert an der Goethe-Uni Philosophie. „Der Grundgedanke war die Suche nach sich selbst, aber dass man nie auf sich selber gucken kann, wenn man in sich selbst drin steckt. Man muss sich erst selbst loswerden, um etwas über sich zu erfahren“, sagt Laura Linnenbaum, die an der Musikhochschule Regie studiert. In dem Stück sitzen die Einzelgänger Heinrich von Kleist, Stefan Zweig und Klaus Mann und die Grenzgängerin Penthesilea in Untersuchungshaft – und sie lassen die etwa 100 Premierengäste knapp eineinhalb Stunden gebannt das durchaus anspruchsvolle Geschehen im Gefängnishof verfolgen.
„Wir haben uns während der letzten drei Wochen, in denen das Stück entstanden ist, komplett nach außen abgeschottet und mit niemandem geredet“, erzählt Abels. Das sei nicht leicht gewesen, aber eine wertvolle Erfahrung. „Tagsüber haben wir geprobt und dann habe ich nachts enorm viel gelesen und die Texte weitergeschrieben.“ Lust auf mehr hätten sie aber schon. „2011 ist Kleist-Jahr – da könnte ich mir schon vorstellen, dass wir das noch einmal aufführen.“ Man habe sich natürlich vorher schon gekannt, aber während der dreiwöchigen Proben seien aus den Kolleginnen richtige Freundinnen geworden – weitere Projekte keineswegs ausgeschlossen.
Hannah Abels und Laura Linnebaum strahlen, als gegen 22 Uhr alles vorbei ist und die Tore sich zur Premierenfeier öffnen – von düsterer Stimmung ist jetzt keine Spur mehr.
Frankfurter Rundschau, 25.08.2009
Von Kristiane Schneider