Kein Ort, um einfach nur Partys zu feiern: Eine Frau im Klapperfeld, in dem einst die Gestapo folterte. (Andreas Arnold)

Die Kulturinitiative Faites votre jeu will Zeitzeugen zur Aufbereitung der Vergangenheit im Klapperfeld gewinnen

Hans Schwert zum Beispiel. Er ist heute 102 Jahre alt, und er hat der Gruppe Faites votre jeu seine Erinnerungen erzählt. Es sind schlimme Erinnerungen, so wie es fast immer schlimme Dinge sind, die Menschen zu erzählen haben, die das Klapperfeld als ehemaliges Frankfurter Polizeigewahrsam von innen gesehen haben.
Die unabhängige Kulturinitiative sucht jetzt weitere Menschen, die solche Geschichten erzählen können – Geschichten von Folter, Demütigung, Ausgrenzung und Angst. Hans Schwert war als KPD-Mitglied im August 1936 im Polizeigefängnis inhaftiert und dort in den zwölf Monaten bis zu seiner Verurteil ung vor dem Kasseler Sondergericht – mehrfach verprügelt und misshandelt worden. In der Klapperfeldstraße 5 betrieb die Gestapo ihren Knast.

Trutzburg der Gewalt

Hans Schwert kann man heute, mehr als 70 Jahre später, wieder im Klapperfeld begegnen, in dieser fahlgelben Trutzburg der Gewalt, die jetzt ein alternatives Kulturzentrum ist: Auf einem Video. Aufgenommen haben es Mitglieder von Faites votre jeu, einer unabhängigen Initiative, die nach eigenen Angaben als »Reaktion auf die immer weiter voranschreitende repressive Umgestaltung des städtischen Lebens« gegründet wurde. Neben der geschichtlichen Auseinandersetzung organisieren die Aktivisten im Klapperfeld auch Bar-Abende und Partys.

Schwert selbst sei auf die Gruppe zugekommen, als im März vergangenen Jahres klar wurde, dass sie vom besetzten Jugendzentrum an der Bockenheimer Varrentrappstraße ins Gerichtsviertel würden ausweichen müssen, sagt eine Sprecherin. Auch Jüdinnen und Juden – besonders aus so genannten »Mischehen« – wurden, meist nach Denunziationen, verhaftet und ins Klapperfeld gebracht. Im obersten Stockwerk befand sich im Frühjahr 1943 eine »Judenabteilung«, die ausschließlich der Gestapo unterstand. Die Gefangenen waren dort, so erfährt man in der Ausstellung von Faites votre jeu, in käfigartigen Drahtverhauen untergebracht.
Im August 2009 wurde der erste Teil einer Dauerausstellung eröffnet, die auf Infotafeln und in Zeitzeugen-Videos die Verwandlung des düsteren Un-Orts zwischen Zeil und Gericht in verschiedene Schauplätze von Tragödien thematisiert: preußisches Polizeipräsidium von 1886 an, Gestapo-Gefängnis, Polizeigewahrsam für Festgenommene, etwa auf den Studentendemonstrationen der späten 60er Jahre, Abschiebeknast. Bereits im 16. Jahrhundert stand an dieser Stelle ein Pest- und später ein Armen-, Waisen- und Zuchthaus. »Von vornherein hatten wir klargestellt, dass es für uns unvorstellbar ist, ein Gebäude wie das ehemalige Gefängnis Klapperfeld ohne geschichtspolitische Auseinandersetzung unreflektiert zu nutzen«, sagt Maja Koster von Faites votre jeu. »Wir verstehen unsere Arbeit zur Geschichte jedoch als kontinuierlichen Prozess. Um mehr über die Vergangenheit zu erfahren, hoffen wir nun, weitere Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu finden.« Gesucht werden Menschen aus verschiedenen historischen Zusammenhängen bis zur offiziellen Schließung des Gefängnisses im November 2001: Wer, wie Hans Schwert, in der NS-Zeit festgehalten wurde, kann sich ebenso melden wie Studenten, die 1968 nach einer Demo dorthin abgeführt wurden. Auch Berichte von Demonstranten, die das Klapperfeld nach Protesten gegen die Startbahn West in den 80ern kennenlernten, sind willkommen.
Neben dem Ausstellungsteil zur nationalsozialistischen Epoche will die Gruppe weitere Teile erstellen. Aktuell recherchiert Faites votre jeu zu Ereignissen in der Nachkriegszeit bis in die 90er Jahre hinein, dazu zur Historie des Baus als Abschiebegefängnis. Ein genauer Zeitpunkt für die Weiterentwicklung der Schau steht jedoch noch nicht fest. Eines sei jedoch klar: »Noch in diesem Jahr wird eine Erweiterung der Ausstellung stattfinden«, sagt Maja Koster.

Aufruf

Wer der Initiative »Faites votre jeu!« helfen kann, Informationen zu der Geschichte des alten Polizeigefängnisses Klapperfeld zu finden oder etwas über die dortigen Schicksale und Ereignisse berichten möchte, kann Sie sich bei deren Arbeitskreis Geschichte melden – entweder per E-Mail unter geschichte.klapperfeld [ät] yahoo.de oder telefonisch unter 0163 – 9 40 16 83.

Eine ausführliche Dokumentation der Geschichte des Klapperfelds findet sich auf der Website http://faitesvotrejeu.blogsport.de

Geöffnet ist die Ausstellung dienstags von 18.30 Uhr an. Faites votre jeu lädt auch zu Veranstaltungen ein, etwa zur Vorführung des Dokumentarfilms »Herrenkinder« am 29. Januar. lem

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Frankfurter Rundschau, 06.01.2010
Von Anne Lemhöfer

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