Leitartikel

Das Klapperfeld ist ein Teil Frankfurter Identität, nicht anders als die Paulskirche. Das weltoffene, tolerante Reiseführer-Frankfurt ist eben nicht die ganze Geschichte.

Es ist verständlich, dass die Gruppe Faites votre jeu zuerst nicht ins ehemalige Polizeigewahrsam in der Klapperfeldstraße ziehen wollte, an diesen unheimlichen, klammen Ort.

Das war allerdings nicht der Hauptgrund, weswegen die unabhängige Kulturinitiative im letzten Frühjahr nur unwillig vom besetzten Jugendzentrum in Bockenheim in den innerstädtischen Knast wechselte. Da war die von Bürgermeisterin Jutta Ebeling (Grüne) angedrohte Räumung, und dann als einziges Alternativangebot der Stadt das Klapperfeld – was man als Pistole-auf-die-Brust-Setzen hatte verstehen können. Und da war die Geschichte des fahlgelben Klotzes als Gestapo-Knast, Abschiebegefängnis und Schauplatz von Ausgrenzung über mehr als ein Jahrhundert. Undankbarkeit wurde Faites votre jeu von Seiten der Stadt vorgeworfen, ob des verhaltenen Begeisterungssturms fürs neue Domizil.

Dieser Vorwurf war Quatsch. Wie sehr, das zeigt sich jetzt. Von „Undankbarkeit“ kann man wohl kaum sprechen, wenn sich eine Gruppe junger Menschen ehrenamtlich und in Eigenregie daran macht, die verdrängte Geschichte eines Orts mitten in Frankfurt zu recherchieren und für alle sichtbar zu machen. Wenn sie Frankfurter einladen, vielleicht nach dem Einkaufen auf der Zeil, vorbeizukommen und etwas über ihre Stadt herauszufinden, das zwar nicht schön, aber wesentlich ist – um sich ein Bild davon zu machen, wo man eigentlich wohnt und wie dort (noch bis vor zehn Jahren) mit Menschen umgegangen wurde, die eben nicht ins Bild passten. Das Klapperfeld ist ein Teil Frankfurter Identität, nicht anders als das pittoreske Holzhausenschlösschen oder die Paulskirche. Das weltoffene, tolerante Reiseführer-Frankfurt, Wiege der Demokratie und Heimat großer Dichter, ist eben nicht die ganze Geschichte.

Faites votre jeu hat die Herausforderung des Ortes angenommen. Gut, dass sie da sind. Dankbarkeit müsste dafür eigentlich die Stadt den jungen Künstlern zollen. Dankbarkeit auch dafür, dass sie die von auswärtigen Besuchern immer als so steril und durchgeplant geschmähte Innenstadt beleben – mit Kultur abseits des Mainstreams und für Menschen, die sich die Oper und teure Theater vielleicht nicht leisten können. Dafür, dass sie klug und kreativ einfach selbst den urbanen Raum bespielen und einen Gegenentwurf schaffen zu etablierten Strukturen, die sie einengend finden.
Orte wie diese Mischung aus Dokumentations- und alternativem Kulturzentrum braucht eine Großstadt dringend. Bezahlbare Räume für unabhängige Kulturschaffende sind in Frankfurt leider Mangelware.
Vielleicht lässt das gute Beispiel von Faites votre jeu Stadt, Vermieter und Ämter ja aufhorchen.

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Frankfurter Rundschau, 06.01.2010
Von Anne Lemhöfer

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