Heute erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Artikel zur »GEGEN BUCH MASSE«. Auch die Initiative »Faites votre jeu!« beteiligt sich seit drei Jahren an der Veranstaltungsreihe, die seit 1996 jährlich parallel zur Frankfurter Buchmesse linken Autor_innen und Verlagen ein Forum für kritische Gedanken bietet. Aus diesem Grund möchten wir euch den Artikel hier nicht vorenthalten:
Gegen die Masse, nicht die Messe
Eine linke Alternative: Seit 15 Jahren findet in Frankfurt zur Buchmessenzeit die »Gegen-Buch-Masse« statt
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.10.2010
Von Nina Belz
Der Mann wirkt verloren. In einer großen, dunklen Halle, vor einem schwarzen Vorhang, sitzt er allein an einem Tisch. Zwei Mikrofone und eine Leselampe behindern seine Sicht auf das Publikum, das etwa ein Drittel der rund 60 Stühle im Saal des selbstverwalteten Zentrums ExZess im Frankfurter Stadtteil Bockenheim besetzt, »Wollt ihr nicht ein bisschen näher rücken?«, fragt er.
Boris Schöppner ist Journalist und Autor. Er wird gleich aus einem Buch lesen, das er nicht selbst geschrieben, aber aus dem Spanischen übersetzt hat: »Patagonia rebelde«, das auf Deutsch »Aufstand in Patagonien« heißt. Der argentinische Historiker und Journalist Osvaldo Bayer hat darin die Arbeiteraufstände im Patagonien der frühen zwanziger Jahre minutiös analysiert und ein Stück Arbeitergeschichte aufgearbeitet.
Das Buch ist auf Deutsch noch nicht erschienen, aber das Thema passt zum argentinischen Ehrengast der diesjährigen Buchmesse – und in die Frankfurter Veranstaltungsreihe »Gegen-Buch-Masse«. »Wir möchten Autoren mit linkem Gedankengut und kleinen Verlagen eine Plattform bieten, die in den riesigen Hallen der Messe untergehen«, sagt Mitveranstalterin Adele Müsser. 22 Veranstaltungen in Frankfurt und-Wiesbaden stehen während der Buchmessenwoche auf dem Programm, viele mit antifaschistischen Themen. »Wir richten uns nicht gegen die Buchmesse«, sagt Müsser und fügt hinzu: »Wir sind auch im Buchmessenkatalog aufgeführt.« Müsser besucht die Messe jeweils auch selbst – und sie weiß genau, wo sie die Verlage findet, die in ihr Programm passen. Dennoch bleibt ihr Eindruck von der Buchmesse der gleiche, der sie und ein paar Kollegen vor 15 Jahren dazu brachte, die ersten Lesungen zu veranstalten: »Zu viel, zu voll.«
Voll ist es auch im Frankfurter Club Voltaire in der Kleinen Hochstraße, einem weiteren Veranstaltungsort der »Gegen-Buch-Masse«. Michael Wilk, Arzt, anarchistischer Autor und Umweltaktivist, liest aus dem Buch »Das Recht auf Faulheit« von Paul Lafargue, dem Schwiegersohn von Karl Marx. Wilk, der einst beim trotzdem-Verlag arbeitete, hat zum Buch ein Vorwort verfasst. »Die wenigsten haben einen Beruf, in dem sie sich selbst verwirklichen können«, sagt er. »Wir verkaufen uns an ein System.« Anerkennendes Nicken. Die Zuhörer sitzen dicht gedrängt an Tischen, auf Treppen, lehnen an den Wänden. Viele haben in der darauffolgenden Diskussion das Bedürfnis, über den Begriff »Arbeit«, ihre Erfahrungen im Arbeitsleben und die politische Situation in Deutschland zu sprechen. Nicht nur das Mikrofon, sondern auch ein brauner Schlapphut macht die Runde. »Es ist uns wichtig, dass die Veranstaltungen kostenlos sind«, sagt Müsser, »denn längst nicht alle können sich Kultur leisten.« Im an das Bockenheimer ExZess angrenzenden »Infoladen« kann man die vorgestellten Bücher deshalb nicht nur kaufen, sondern auch ausleihen. Nur Bayers »Aufstand in Patagonien« muss zuerst noch gedruckt werden.
Weitere Infos zur »GEGEN BUCH MASSE«
Die letzte Lesung im Klapperfeld im Rahmen der diesjährigen »GEGEN BUCH MASSE« findet heute, am Freitag den 8. Oktober um 19.30 Uhr statt: Zu Gast sind Jens Ambacher und Romin Khan die gemeinsam das Buch »Südafrika – Nach der Apartheid: Die Grenzen der Befreiung« bei »Assoziation A« herausgegeben haben. Weitere Infos zu dieser Veranstaltung findet ihr hier.
Infos und Termine zu den Veranstaltungen an anderen Orten in Frankfurt findet ihr auf der Website der »GEGEN BUCH MASSE«: www.gegenbuchmasse.de
Besonders ans Herz legen wollen wir euch abschließend noch die »Lange Lesenacht«, die morgen, am Samstag den 9. Oktober um 19 Uhr im Cafe ExZess (Leipziger Straße 91, 60487 Frankfurt, www.exzess.de.nr) beginnt. Neben dem super leckerem Buffet für wenig Geld gibt es dort sechs Lesungen hinter einander auf die Ohren:
19:30 Uhr: Gustav Landauer: Antipolitik
20:10 Uhr: Briefe aus der Deportation
20:50 Uhr: An der Heimatfront
21:30 Uhr: Woher der Wind weht
22:10 Uhr: Freiheit und Gerechtigkeit
22:50 Uhr: Erinnerungen eines Anarchisten
Weitere Infos zur »Langen Lesennacht« und den dort vorgestellten Titeln findet ihr hier.