Außen imposant, innen teilweise fragil: das Gebäude des Frankfurter Landgerichts (Bildmaterial: Lena Grimm)

Gebäude sanierungsbedürftig

Frankfurts Richter und Staatsanwälte bleiben, wo sie sind – auf dem Areal hinter der Zeil. Am Standort könnte sich aber einiges ändern. Auch ein Neubau ist im Gespräch.

Gravitätisch steht sie da, als könne sie nun wirklich nichts mehr erschüttern. Die Frankfurter Justiz, seit mehr als hundert Jahren nahe der Konstablerwache angesiedelt, hat dem Versuch getrotzt, sie, wie in Wiesbaden und Darmstadt vorexerziert, aus dem Zentrum der Stadt in neue, wesentlich günstiger zu unterhaltende Zweckbauten zu verlagern.

Die Pläne, die die damaligen Minister für Justiz und Finanzen, Jürgen Banzer und Karlheinz Weimar (beide CDU), vor fünf Jahren ausarbeiten ließen, sahen vor, an der Adickesallee nahe dem Polizeipräsidium ein Justizzentrum zu schaffen. Richter, Staatsanwälte und Anwälte zeigten sich in diesem Fall einig wie selten: Die Idee gehe an den Interessen der Rechtssuchenden wie der Mitarbeiter vorbei, war die einhellige Meinung. Auch die Stadtverordneten sprachen sich gegen das Vorhaben aus, nachdem Planungsdezernent Edwin Schwarz (CDU) ursprünglich noch Zustimmung signalisiert hatte und sich am alten Justizstandort ein neues Quartier vorstellen konnte. Im Mai 2009 erklärte der neue Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) die Gedankenspiele für obsolet, weil, wie er sagte, der traditionelle Standort für eine bürgernahe Justiz steht.

Ein Holzgerüst gegen Brocken von oben

Von außen betrachtet, hat sich seither in dem Karree zwischen Zeil, Seilerstraße und Konrad-Adenauer-Straße, am Sitz der sogenannten ordentlichen Gerichtsbarkeit mit Zivil- und Strafgerichten sowie den Amts- und Staatsanwaltschaften, nichts bewegt. Und innen geht es eher um Millimeter: Im Flur des Gebäudes B registrieren Sensoren jede kleinste Bewegung der fragilen Kassettendecke. Ein imposantes Holzgerüst bewahrt Besucher schon geraume Zeit davor, dass ihnen Brocken auf den Kopf fallen, sollten die Risse sich plötzlich vergrößern.

Gerade werden Stahlträger eingezogen; erst wenn das geschafft ist, wird das fast schon Documenta-reife Stützgerüst wieder verschwinden. Am historischen Gemäuer der Bauten A und B, in denen Amts- und Landgericht untergebracht sind, ist fast immer etwas zu sanieren, obwohl die Gebäude erst vor einigen Jahren mit großem Aufwand restauriert worden sind – da hatten Banzer und Weimar recht. Und nun muss auch noch der Brandschutz den neuen strengeren Auflagen angepasst werden; veranschlagt ist dafür ein mittlerer zweistelliger Millionenbetrag.

Zusätzlicher Büroraum zu ermitteln

Völlig offen ist hingegen nach Auskunft des Hessischen Immobilienmanagements, das alle Liegenschaften des Landes verwaltet, welche Summe nötig sein wird, um Frankfurts Justizviertel gemäß der neuen Direktive zu »verdichten«. Zunächst einmal soll eine Arbeitsgruppe der Justiz ermitteln, wie viel zusätzlichen Büroraum die fast 3000 Mitarbeiter benötigen.

Als ziemlich wahrscheinlich gilt nur, dass das grünlich verkleidete Gebäude C an der Konrad-Adenauer-Straße, der Sitz der Staatsanwaltschaft, abgerissen wird. So richtig glücklich war man mit dem in den fünfziger Jahren entstandenen Bau ohnehin nie. Die Zimmer an den dunklen Fluren sind schmal geschnitten, erhöhte PCB-Werte machten vor Jahren eine teure Dekontamination nötig.

An dem durchaus repräsentativen Platz gegenüber dem Grandhotel könnte daher wenigstens eines der funktionalen und betriebswirtschaftlich effektiven Gebäude entstehen, wie sie den Ministerien 2006 für den Neubeginn an der Adickesallee vorschwebten. Wenn, dann soll die Baugrube sehr tief ausgehoben werden, um im Untergeschoss Platz für Autostellplätze zu schaffen – an Parkraum herrscht im Justizviertel immer Mangel.

Noch offen ist hingegen, ob auch das unansehnliche ehemalige Polizeigewahrsam Klapperfeld gegenüber dem Landgericht dann endlich weichen muss. Viele Jahre stand es leer, ehe es einer Künstlerinitiative zur Verfügung gestellt wurde. Das Grundstück wird freilich nur für einen »großen Wurf« gebraucht. Erwogen wird, die Justiz durch einen neuen Trakt zwischen dem Oberlandesgericht an der Zeil und dem Amtsgericht besser zu verbinden und den Klienten somit die Orientierung zu erleichtern.

Verkauf »steht nicht an«

Angesichts der Geldnot des Landes dürften solche weitreichenden Pläne aber für die nächsten Jahre noch in den Schubladen bleiben. Dabei hatte man vor fünf Jahren noch mit gewaltigen Summen gerechnet: Das neue Justizzentrum an der Adickesallee hätte zwischen 400 und 500 Millionen Euro kosten, sich aber über die Jahre doch rentieren sollen.

Kern der Kalkulation war das Programm »Leo« des Finanzministeriums, das vorsah, die Liegenschaften des Landes Schritt für Schritt an Fonds zu veräußern und dann zurückzumieten. Die Finanzkrise und der Preisverfall auf dem Immobilienmarkt haben den Plan gestoppt. Frankfurts Justizgebäude sind vorerst beim Hessischen Immobilienmanagement »geparkt«. Derzeit stehe ein Verkauf nicht an, heißt es lapidar in Wiesbaden.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.01.2011
Von Helmut Schwan

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