Eine aktuelle Ausstellung im früheren Klapperfeld soll die jüngste Vergangenheit des Gebäudes thematisieren.
Es sind alles andere als reizvolle Motive, die der Fotograf festgehalten hat. Leere Landschaften, Felder, Gestrüpp. Eintönige Bilder in Schwarz-Weiß, was die Trostlosigkeit noch unterstreicht. Ein Nirgendwo, das man gerne hinter sich lassen würde. Kein Hinweis verrät, dass einige der Fotos nur wenige Kilometer von der pulsierenden Millionenmetropole Berlin entstanden sind.
Was der Fotograf zeigen wollte, ist mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Die Bilder zeigen den Grenzbereich des Landkreises Oberhavel, nördlich der Hauptstadt. Eine Verwaltungsgrenze, die für die meisten Einwohner keinerlei Bedeutung hat. Für Asylbewerber und Ausländer mit Duldung aber bedeutet jede Überquerung der imaginären Grenzlinie den Schritt in die Illegalität. Deutschland endet für diese Menschen an den Grenzen des Landkreises, in dem sie untergebracht worden sind.
»Die Idee ist, diese unsichtbaren Grenzen sichtbar zu machen«, sagt Sebastian Vogel von der Kulturinitiative »Faites votre jeu«. »Residenzpflicht – Invisible borders« nennt sich die Wanderausstellung, die derzeit im ehemaligen Polizeigewahrsam Klapperfeld gastiert. In Deutschland sind etwa 124000 Menschen von einer derartigen Regelung betroffen. Sie sind verpflichtet, die Grenzen des jeweiligen Landkreises oder Bundeslandes nicht zu überschreiten. Die Folgen sind teilweise absurd. »Manche machen sich schon strafbar, wenn sie sich in den Zug setzen, um zum Amt zu fahren«, erläutert Sebastian Vogel, »weil die Strecke über einen anderen Landkreis führt.«
Das Konzept zu der Ausstellung geht auf die Diplomarbeit eines Architekturstudenten zurück. Seit dem 5. Februar ist sie in dem ehemaligen Gefängnis nahe der Konstablerwache zu sehen. Ein passender Ort, denn in seiner langen Geschichte, geprägt von Grausamkeiten, bildeten Jahre der Nutzung als Abschiebegefängnis den Abschluss.
Das hat Spuren hinterlassen: Ein Stockwerk über der Ausstellung liest man an den Wänden die Botschaften derjenigen, die seinerzeit in die Gruppen und Einzelzellen gepfercht wurden. Hunderte Graffitis bedecken die dunklen Wände, zwischen denen die Inhaftierten auf ihre Abschiebung warten mussten. »Unsere Idee, diese Ausstellung herzuholen, soll auch diese jüngste Vergangenheit des Gebäudes thematisieren«, erklärt Jörg Schmidt, Sprecher von »Faites votre jeu«.
Auch der Aufenthalt von »Faites votre jeu« ist begrenzt
Seit ihrem Umzug aus dem zuvor von ihnen besetzten Jugendzentrum Bockenheim ins Klapperfeld 2009 bemüht sich die Kulturinitiative, die Historie des Polizeigewahrsams greifbar zu machen. Eine Dauerausstellung im Keller befasst sich mit den Jahren der Nazi-Zeit, als die Männer der SS im Klapperfeld folterten und mordeten. »Die NS-Zeit bleibt auch weiterhin der Schwerpunkt«, sagt Schmidt. Doch gelte es eben auch, jüngere Kapitel aufzuarbeiten.
Wie lange »Faites votre jeu« dafür allerdings noch Zeit bleibt, steht derzeit in den Sternen. Im August läuft der Überlassungsvertrag zwischen der Initiative und der Stadt aus. Was danach passiert, ist ungewiss: Im vergangenen August sorgte eine Studie des Stadtplanungsamtes zur künftigen Gestaltung der Innenstadt für Aufregung.
Darin war unter anderem vom Abriss des einstigen Gefängnisses zugunsten eines Wohnhochhauses die Rede. Ähnlich irritierend sind die immer wieder aufkeimenden Diskussionen über den Bau eines neuen Justizzentrums, dem das Klapperfeld ebenfalls zum Opfer fallen könnte. Aus Sicht von Bürgermeisterin Jutta Ebeling, mit der seinerzeit der Umzug ins Klapperfeld vereinbart wurde, besteht allerdings kein Grund zur Besorgnis. »Derzeit liegen uns keine Pläne vor, so dass wir auch erst mal nicht tätig werden«, erklärte Referentin Irene Khateeb im Büro der Bürgermeisterin gegenüber der FR.
Aus Sicht des Bildungsdezernats steht somit einer Verlängerung des Vertrages um weitere zwei Jahre wohl nichts im Wege. Für Jörg Schmidt ist das allerdings eine viel zu kurze Perspektive: »Es geht uns nicht um anderthalb Jahre.« Die Gruppe will drinbleiben; ein Ersatzobjekt werde man nicht akzeptieren.
Frankfurter Rundschau, 16.02.2011
Von Danijel Majic