Die Initiative „Faites votre jeu!“ feiert Sommerfest im ehemaligen Polizeigefängnis „Klapperfeld“ in Frankfurt.
„Wir sind diejenigen, die häufig als Extremisten bezeichnet werden“, sagt ein Mitglied der Initiative „Faites votre jeu!“. Mit ihrer Kollegin bietet die promovierte Historikerin Interessierten eine anspruchsvolle Führung durch die Räume des „Klapperfeld“, des ehemaligen Polizei- und Gestapogefängnisses nahe der Konstablerwache. Dieses wird mittlerweile als soziales Zentrum genutzt und feierte am Samstag seinen sechsten Geburtstag.
Bei bestem Wetter sind hunderte Menschen in die engen, feuchten Zellen und in den mit Stacheldraht umzäunten Innenhof gekommen. Dort spielen Kinder im Sandkasten, Erwachsene schlürfen Cocktails und politische Gruppen informieren über die Arbeit, die sie in den Räumen des Zentrums leisten. Mit seinem vielfältigen Angebot an Vorträgen, Kunstprojekten und Sportkursen ist das zuvor ungenutzte Haus für viele unverzichtbar geworden. Nach Verhandlungen mit der Stadt hatten Hausbesetzer das Gebäude 2008 als Ersatz für ein geräumtes Jugendhaus erhalten und daraufhin die Initiative gegründet. „Mir gefällt, dass hier Bildung in einer unverkrampften Atmosphäre stattfindet“, so Yeliz Özaltkin, für die das Geburtstagsfest ein Anlass war, mal in den „Knast“ zu gehen.
Ganz ohne Notizzettel geht die Historikerin, die ihren Namen aus Angst vor Nazi-Übergriffen nicht nennen möchte, in der Geschichte zurück: „Noch bis 2002 wurden hier Demonstrationsteilnehmer unter unzumutbaren Hygienebedingungen festgesetzt, obwohl das Gefängnis offiziell längst geschlossen war.“ Menschen, die von Abschiebung bedroht waren, darbten davor oft Monate im ersten Stock des Trakts. In der NS-Zeit folterte hier die Gestapo und trieb Menschen zur Deportation nach Auschwitz zusammen. Paradoxerweise wurden einzelne Gestapo-Offiziere später selbst von den Alliierten im Klapperfeld festgehalten, aber wenige von ihnen auch verurteilt.
Doch kann an einem Ort mit derartiger Gewaltgeschichte heute einfach gefeiert werden? Die Initiative, die aus Pädagogen, Designern oder auch Historikern besteht, hatte dies ebenfalls bedacht: Sie fragten deshalb vor der Eröffnung 2008 ehemalige Häftlinge, ob ein kultureller Freiraum am Ort ihrer Schreckenserfahrungen angebracht wäre. Die meisten drängten schier darauf, dass die Geschichte endlich aufgearbeitet wird, und freuen sich auch, wenn das Gebäude mit Leben gefüllt wird. Lebendig ging auch das Geburtstagsfest mit Tanz und Hip-Hop-Musik von „Image Ctrl“. „Wir hoffen, wir haben Sie auch zum Nachdenken über politische Verfolgung und Gefängnisse im Allgemeinen angeregt“, sagt die Historikerin und entlässt ihre Zuhörer auf die Tanzfläche.
Frankfurter Rundschau, 03.08.2014
Von Lotte L. Laloire