Die Initiative »Faites votre jeu!« feiert im linken Kulturzentrum Klapperfeld zehnjähriges Bestehen. Der Streit um den Mietvertrag geht derweil ungehindert weiter.
Sobald der Regenguss vorbei ist, wird es im Hof wieder voll. Mütter mit ihren Kindern setzen sich auf die Bierbänke, um Kuchenstücke zu teilen, junge Männer bestellen vor Soße triefenden Saitan-Gyros, Freundinnen stehen mit Bier und Limonade im Kreis. Je länger die Sonne scheint, desto größer wird die Schlange vor dem Eingang des Klapperfelds. Es ist Samstagnachmittag, die Initiative »Faites votre jeu!« hat zum Sommerfest geladen. Nicht zu irgendeinem: Zehn Jahre alt wird sie an diesem Tag. Neun davon hat sie das ehemalige Polizeigefängnis nahe der Konstablerwache als linkes Kulturzentrum genutzt, nachdem die Stadt es ihr »für künstlerische und kulturelle Zwecke« bis auf weiteres überließ. Sie hat zwei Dauerausstellungen zur Geschichte des Ortes eingerichtet, veranstaltet Zeitzeugengespräche und Diskussionen, Lesungen und Theater, Vorträge, Konzerte, Barabende und Partys.
All das schätzen die Besucher, die an diesem Tag zum Fest gekommen sind: Einer ist oft zu Vorträgen da und hat seine Familie mitgebracht. Eine junge Frau findet es gut, dass es mit dem Klapperfeld einen Raum in der Stadt gibt, an dem man sich ein-, aber auch einfach so Zeit verbringen kann, im Sportraum zum Beispiel oder in einem der Ateliers. Einer anderen ist vor allem wichtig, dass die Geschichte des Polizeigefängnisses ausführlich aufgearbeitet wurde. Und: »Ich bin da, um Solidarität zu zeigen«, sagt sie. Denn »Faites votre jeu!« ist umstritten.
Mehrere Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung fordern seit langem, der Mietvertrag für das Gebäude mit der Stadt solle aufgelöst werden. Die FDP zum Beispiel argumentiert, der Magistrat könne nicht so unverantwortlich mit einer seiner Immobilien umgehen, das Gebäude solle lieber genutzt werden, um den benachbarten Gerichtsstandort zu erweitern. Die CDU sieht das ähnlich, beide Parteien halten das Klapperfeld zudem für einen linksextremistischen Unruheherd. Im Verfassungsschutzbericht taucht es als Anlaufpunkt der autonomen Szene in Hessen auf. Das dürfte die beiden Fraktionen bestärken.
AfD und FDP fordern Akteneinsicht
Schon einige Tage vor der öffentlichen Vorstellung beantragten die AfD- und FDP-Fraktionen Akteneinsicht in den Vertrag, den die damalige Bildungsdezernentin Jutta Ebeling (Die Grünen) 2009 mit der Initiative geschlossen hatte. Es ist der nächste Schritt in einem Streit, der immer weiter eskaliert. Wie berichtet, hatte sich Ende Juni herausgestellt, dass der Mietvertrag keine Option auf Beendigung des Mietverhältnisses von Seiten der Stadt vorsieht, lediglich eine einseitige Option auf Verlängerung alle zwei Jahre zu unveränderten Vertragsbedingungen durch die Initiative. Die CDU, die damals mit in der Koalition saß, will davon plötzlich nichts gewusst haben.
Nachdem dies bekannt und vielfach angezweifelt wurde, signalisierte sie Kompromissbereitschaft. Unter verschiedenen Bedingungen sei man bereit, das Klapperfeld als Ausstellungsort zu akzeptieren und den Mietvertrag nicht anzufechten. Eine lautet: Es sollten »keine fragwürdigen Veranstaltungen mehr stattfinden«, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstießen.
Wunsch nach Profilierung
»Da soll die CDU doch mal erklären, welche Veranstaltungen konkret sie damit meint«, sagt Matthias Schneider, einer der Initiatoren von »Faites votre jeu!«. »Auf solche Anwürfe fällt uns eine ernsthafte Antwort schwer.« Akteneinsicht in den Mietvertrag zu fordern stehe AfD und FDP natürlich frei. »Aber ich glaube, wir müssen um diesen Vertrag eigentlich gar nicht streiten. Unsere Arbeit hier spricht in meinen Augen für sich.« Mit der Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit des Klapperfelds, das von 1886 bis 2002 als Polizeigefängnis genutzt wurde, hat die Initiative einen Gedenkort geschaffen, den es davor nicht gab. Das Gebäude stand leer.
Die Diskussion deuten Schneider und seine Mitstreiterin Maja Koster als Angriff in einer Zeit, wo nach den Ausschreitungen beim G-20-Gipfel in Hamburg Druck herrscht, sich zu profilieren. Die Forderung der FDP, das Gebäude lieber für eine Erweiterung des Justizstandorts zu nutzen, hält Koster für »eine Unverschämtheit«. Ganz abgesehen davon, dass die Räume für Büros völlig ungeeignet seien. »Das ist eine Art der Geschichtsvergessenheit, die zum Himmel schreit. Das würde diesem Ort nicht gerecht.«
Frankfurter Allgemeine Zeitung
Von Anna-Sophia Lang