Seit zehn Jahren besteht die Initiative »Faites votre jeu!« – 1000 Menschen feiern im autonomen Kulturzentrum Klapperfeld im Frankfurter Gerichtsviertel. Angst vor politischen Gegnern haben sie nicht.
Feministische Sextoys zu kaufen, veganes Gyros zu essen, die autonome Beautyfarm legt auf, der »Roter Stern Chor« singt. Und es gibt ganz viele Führungen durch das ehemalige Polizeigefängnis Klapperfeld, das seit zehn Jahren ein autonomes Kulturzentrum ist. Die Stimmung ist drinnen wie draußen super. Über 1000 Besucher feierten am Samstag beim Sommerfest den zehnten Geburtstag der Initiative »Faites votre jeu!«.
»Es ist sehr wichtig, dass es diesen Ort in Frankfurt gibt, einen Ort der Solidarität, einen Ort der Geschichte«, sagt eine Besucherin, die gerade in der Dauer-Ausstellung des Hauses vom Schicksal der Jüdin Cäcilie Breckheimer erfährt. Breckheimer war hier inhaftiert, bevor sie ins KZ Auschwitz verschleppt wurde. Der Initiative war es 2011 gelungen, verloren geglaubte Listen von Deportationen aus dem damals der Gestapo unterstellten Gefängnis ausfindig zu machen. »Das Klapperfeld muss bleiben«, sagt die Besucherin.
Klapperfeld ist weiterhin umstritten
Das autonome Kulturzentrum Klapperfeld im Gerichtsviertel ist aber gerade ein Streitpunkt im Stadtparlament: CDU, FDP und AfD wollen am liebsten, dass die Initiative ihre Arbeit so schnell wie möglich einstellt. Grund: die erneute Erwähnung des Klapperfeldes im hessischen Verfassungsschutzbericht – der Ort diene als Rückzugsort für linksextreme Gewalttäter. »Das grenzt an eine Verschwörungstheorie«, sagt Matthias Schneider, der von Anfang an Teil der Initiative ist.
»Das Klapperfeld ist ein Treffpunkt für Künstler, Musik- und Sportgruppen – von Ballett bis Kickboxen», sagt Maja von »Faites votre Jeu!«. Voraussetzung sei dabei, dass alle Kurse kostenlos angeboten werden müssten. Das sei kein Ort für Kommerz. »Wir haben hier auch viele Schulklassen, die durch unsere Ausstellungen gehen.« 1000 Besucher hätten sie samstags, wenn das Haus für alle geöffnet sei.
Ein politischer Ort
Es sei aber auch ein politischer Ort, wo sich linke Gruppen treffen. »Aber wir haben nichts zu verbergen. Ganz im Gegenteil«, betont Maja. Und so fürchten sie auch nicht, dass FDP und AfD einen Akteneinsichtsausschuss beantragen wollen. Dabei geht es vor allem um den Mietvertrag der Initiative. Die Verträge wurden 2008 vom Bildungsdezernat ausgehandelt. Die Gruppe hatte zuvor im August zunächst das Jugendzentrum Bockenheim besetzt, doch die Stadt benötigte die Räumlichkeiten, um eine benachbarte Berufsschule zu erweitern.
So entstand überhaupt die Idee, der Initiative das leerstehende Klapperfeld anzubieten. »Ob wir da wirklich einziehen wollen, war damals ein großer Diskussionspunkt. Ein Ort der Repression, in der die Gestapo Leute gefoltert hat. Und wo es Inschriften von Gefangenen in Abschiebehaft gibt«, erzählt Schneider.
Doch sie entschieden sich, einzuziehen, unter eben der Voraussetzung, die Geschichte des Ortes, in Ausstellungen zu erforschen und festzuhalten. Im zweiten Stock ist so beispielsweise die Ausstellung »Inschriften von Gefangenen in Abschiebehaft und Polizeigewahrsam im Klapperfeld 1955–2002«. »Wir haben auch Interviews mit Zeitzeugen wie Wolfgang Breckheimer geführt, dessen jüdische Mutter Cäcilie im Klapperfeld im Jahr 1943 inhaftiert war«, so Schneider. Breckheimer hatte tagelang vor dem Polizeigefängnis gewartet, den geheimen Familienpfiff pfeifend, in der Hoffnung, ein Lebenszeichen der Mutter zu erhalten. Vergebens.
Das Zeitzeugen-Video kann man im Haus und auf der Internetseite der Initiative anschauen. »Eigentlich wollte Wolfgang nie wieder an diesen Ort, aber ein Jahr nach unserem Interview ist er doch rein – und hat dort, wo die Zellennummer seiner Mutter stand, eine Rose abgelegt«, erzählt Maja. Dieser Moment rührt sie noch, und sie muss sich eine Träne wegwischen. Breckheimer sei mittlerweile verstorben. »Wir sind die letzte Generation, die Zeitzeugen aus der NS-Zeit kennenlernen durften«, sagt Maja. Deswegen sei es auch so wichtig, dass das Klapperfeld bleibt; auch die eigene zehnjährige Geschichte ist in einer Ausstellung nun zu sehen.
Angst um ihre Zukunft haben die Macher aktuell nicht. Die Frankfurter Grünen stehen zu ihnen. So gibt es keine politische Mehrheit gegen das Zentrum. »Unsere Arbeit spricht zudem für uns«, so Schneider.
Frankfurter Rundschau (FR)
Von Kathrin Rosendorff