Zwischen September 2018 und Juli 2019 wurden insgesamt 12 Brandanschläge auf linke Projekte in Frankfurt, Hanau und Schwalbach am Taunus verübt. Die Behörden erkennen darin keine politischen Taten. Bis heute hat keine juristische Aufarbeitung stattgefunden. Seit dem 18. Mai 2020 ist unter www.rheinmain-doku.org die Website »Feurio!« erreichbar. Diese wird von Betroffenen der Brandanschlagsserie im Rhein-Main-Gebiet und ihnen solidarisch verbundenen Menschen betrieben.
Wir unterstützen den Aufruf, den anstehenden Prozess gegen den mutmaßlichen Täter Joachim S. kritisch zu begleiten und schließen uns der Forderung an, den politischen Charakter der Taten anzuerkennen und die Ermittlungsversäumnisse aufzuklären.
Im folgenden veröffentlichen die Pressemitteilung der Initiative »Feurio!«:
Website »Feurio!« informiert über die Brandanschläge auf linke Projekte im Rhein-Main-Gebiet in den Jahren 2018 und 2019
Betroffene befürchten, dass die Brandserie durch Polizei und Justiz entpolitisiert wird und juristisch unaufgearbeitet bleibt.
Frankfurt / Hanau / Schwalbach, 18.05.2020
Heute, am 18. Mai 2020 ist unter www.rheinmain-doku.org die Website »Feurio!« online gegangen. Diese wird von Betroffenen der Brandanschlagsserie im Rhein-Main-Gebiet und ihnen solidarisch verbundenen Menschen betrieben.
Anita Conrad, eine der Betroffenen, erklärt: »Auf der Website veröffentlichen und sammeln wir Artikel zu den Anschlägen. Besonderes Augenmerk legen wir auf die Ermittlungsversäumnisse von Polizei und Staatsanwaltschaften. Wir werden stets aktuell über den Prozess gegen den Brandstifter informieren, der in nächster Zeit vor dem Landgericht in Frankfurt am Main stattfinden wird.«
Die Anklage gegen den seit Dezember 2019 in U-Haft befindlichen mutmaßlichen Täter Joachim S. ist zwar noch nicht erhoben und es sind noch keine Prozesstermine angesetzt, trotzdem tritt die Gruppe schon jetzt an die Öffentlichkeit. Tom Schmitz, der als Prozessbeobachter die betroffenen Projekte unterstützen möchte, erklärt: »Das bisherige Verhalten der Ermittlungsbehörden lässt darauf schließen, dass die Anschläge von Joachim S. entpolitisiert werden sollen und Polizei und Staatsanwaltschaft möglichst wenig öffentliche Aufmerksamkeit auf das Verfahren lenken wollen. Dies möchten wir durch unsere Prozessbegleitung und die Mobilisierung einer kritischen Öffentlichkeit verhindern. An Medienvertreter*innen richten wir den Appell, ebenfalls über den Prozess und seinen Verlauf zu berichten.«
Stellvertretend für die anderen Betroffenen fasst Anita Conrad abschließend die Forderungen der Gruppe zusammen und ruft dazu auf, die Eröffnung des Prozesses kritisch zu begleiten: »Wir fordern die Behörden auf, den politischen Charakter der Taten anzuerkennen und die Ermittlungsversäumnisse aufzuklären. Das Verleugnen, Bagatellisieren und Entpolitisieren rechter Gewalt in Hessen muss ein Ende haben. Zur Prozesseröffnung rufen wir schon jetzt zu vielfältigen Protesten auf.«
Zusammenfassung der Ereignisse
Zwischen September 2018 und Juli 2019 wurden im Rahmen einer Serie zwölf Brandanschläge auf linke Projekte in Frankfurt, Hanau und Schwalbach am Taunus verübt. Bei einigen Bränden waren Bewohner*innen in großer Gefahr und es entstand ein Sachschaden von weit über 200.000 Euro. Dass die Angriffe nicht dazu führten, dass Existenzen dauerhaft zerstört wurden, ist einzig dem solidarischen Zusammenhalt der Linken zu verdanken.
Bei zwei Brandstiftungen dieser Serie wurde der heute 47-jährige Frankfurter Joachim S., auf frischer Tat erwischt und der Polizei übergeben. Jeweils am nächsten Tag wurde er auf freien Fuß gesetzt. Es ist davon auszugehen, dass S. für die gesamte Serie verantwortlich ist. Erst am 8. Dezember 2019 wurde S. verhaftet, seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, allein zwischen September 2019 und Dezember 2019 im Frankfurter Stadtgebiet 19 weitere teils schwere Brandstiftungen begangen zu haben, bei denen jedoch kein politischer Hintergrund erkennbar ist.
Dass S. erst im Dezember 2019 in Untersuchungshaft kam, ist nicht die einzige offene Frage im Umgang der Ermittlungsbehörden mit dem Täter und den Anschlägen. So hielt die Polizei nach dem Anschlag auf das Autonome Kulturzentrum Metzgerstraße in Hanau am 21. Dezember 2018 eine Spurensicherung nicht für notwendig. Die Bewohnerinnen mehrerer betroffener Häuser wurden nie nach Joachim S. befragt. Die Anwältinnen der linken Projekte erhalten so gut wie keine Informationen, auch wird ihnen auf fragwürdiger Grundlageeine Akteneinsicht verweigert.
Eine Aufklärung der Anschläge auf die Wohn- und Kulturprojekte scheint nicht im Interesse der Polizei und der Staatsanwaltschaft zu sein. So teilte die Hanauer Oberstaatsanwältin Türmer am 15. April einem Journalisten mit, dass die Ermittlungen zum Brandanschlag am 3. Dezember 2018 auf einen Bauwagen auf dem Gelände des Hanauer Wohnprojekts Schwarze 79 eingestellt worden seien. Dass die Betroffenen und ihre Anwältin aus der Presse von der Einstellung erfuhren, ist bezeichnend.
Es ist derzeit davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft im bevorstehenden Prozess gegen Joachim S. nur die Brandserie vom Herbst 2019 anklagen und die Brandstiftungen an den linken Projekte nicht einbeziehen wird. Es zeichnet sich ab, dass die Staatsanwaltschaft versuchen wird, den Täter als »unpolitischen« Pyromanen zu pathologisieren, um die Anschlagsserie im »unpolitischen« Raum verschwinden zu lassen. Es wäre ein weiteres Beispiel dafür, wie in Hessen rechte Angriffe juristisch unaufgearbeitet bleiben.
Kontakt: gro.i1731745496lmets1731745496ys@uk1731745496od-ni1731745496amnie1731745496hr1731745496