Das linke Kulturzentrum feiert sein 15-jähriges Bestehen im ehemaligen Polizeigefängnis Klapperfeld.
Dicht gedrängt laufen die Besucher:innen durch den Zellentrakt des ehemaligen Frankfurter Polizeigefängnisses Klapperfeld. Die Stimmung ist beklemmend. Während des Nationalsozialismus wurden hier Menschen gefoltert und später deportiert. Bis zu seiner Schließung 2002 war es ein Abschiebegefängnis. Die Initiative »Faites votre jeu!« nutzt den Ort seit 2009 als linkes Kulturzentrum. Am Samstag hat sie dort ihr 15-jähriges Bestehen gefeiert – mit zahlreichen Besucher:innen, Barbetrieb und Live-Musik.
Die etwa sechs Quadratmeter engen Zellen sind verlassen. Zeichnungen und Inschriften an Türen und Wänden erwecken den Ort gleichsam zum Leben. Es sind die Spuren derer, die dort noch bis 2002 unter widrigen Bedingungen festgehalten wurden. Zur Aufarbeitung dieser Geschichte bietet die Initiative zwei Dauerausstellungen an. Eine behandelt die Entstehungsgeschichte des Klapperfelds und seine Nutzung während der Zeit des Nationalsozialismus. Die zweite setzt sich mit der Geschichte des Gefängnisses von 1955 bis 2002 auseinander. Etwa 1400 Inschriften, die ehemalige Insass:innen dort teils mit Zahnpasta oder Ruß hinterlassen haben, sind von der Initiative erfasst und aus verschiedensten Sprachen ins Deutsche übersetzt worden.
»Ich schrie, die Wände hatten keine Ohren, ich schrie weiter«, steht an einer Wand. Durch die Zellenfenster zum gut gefüllten Innenhof schallen Techno-Beats. Die Szene wirkt grotesk. »Dieser Zwiespalt lässt sich nicht auflösen«, sagt Matthias Schneider. Er und Maja Koster sind von Anfang an bei »Faites votre jeu!« aktiv. Die Frage, ob ein ehemaliger »Gestapo-Knast« der richtige Ort für ein autonomes Kulturzentrum mit Konzerten, Barabenden und Lesungen ist, sei innerhalb der Initiative stark umstritten gewesen, erklärt Schneider.
2008 besetzte die Initiative das ehemalige JUZ Bockenheim. Der Leerstand in Frankfurt sei damals wie heute groß gewesen, sagt Koster. Ziel sei die Schaffung eines Orts gewesen, an dem »unkommerziell und selbstorganisiert« kulturelle und politische Projekte umgesetzt werden können. Die Stadt Frankfurt stellte der Initiative daraufhin das ehemalige Polizeigefängnis als Ersatzobjekt zur Verfügung.
Vor allem der Zuspruch von Hans Schwert und Wolfgang Breckheimer habe die Gruppe davon überzeugt, das Gebäude trotz seiner Geschichte zu beziehen. »Die beiden haben uns viel Mut gemacht«, sagt Schneider. 1936 wurde Schwert wegen seiner politischen Überzeugungen von der Gestapo verhaftet. Bis zu seiner Befreiung im Jahr 1945 befand er sich in Haft – mehr als ein Jahr davon im Polizeigefängnis Klapperfeld. Breckheimers jüdische Mutter wurde dort 1943 inhaftiert und starb später im Vernichtungslager Auschwitz. Interviews mit beiden Zeitzeugen sind Teil der Dauerausstellung.
Die Biografien der Insass:innen und ihr Leid zu dokumentieren sei einer der Hauptantriebe der Initiative, so Koster. »Diese Geschichte darf nicht verschwinden«, sagt sie. Bei allen Veranstaltungen stehe die Ausstellung offen. Durch die Nutzung des Klapperfelds als kulturelles Zentrum will die Initiative diese Erinnerung am Leben erhalten. »Dieser Ort war ein blinder Fleck«, fügt Schneider hinzu. Ohne die Arbeit der Initiative würde das Gebäude heute nicht mehr stehen, ist er sich sicher. Das Klapperfeld zeige heute, dass die Verfolgung nicht nur in den Konzentrationslagern stattgefunden habe, sondern »überall und für die Bevölkerung sichtbar«, so Schneider.
Auch sie habe sich die Frage gestellt, wie ein Gebäude mit einer solchen Geschichte überhaupt genutzt werden könne, erklärt eine Besucherin. »Ein Kulturzentrum ist dafür die einzige Möglichkeit«, sagt sie.
Frankfurter Rundschau, 27.07.2020
Von Michael Theil