Beim Sommerfest der Initiative »Faites votre jeu« im ehemaligen Gefängnis erleben die Besucher neben einem bunten Programm auch die Geschichte eines Ortes, der stets für die Repression stehen wird.
Die Botschaft ist kurz, mit Bleistift an die Wand gekritzelt. »Soner Schmitt, 25.7.96, Abschiebung Istanbul«. Vermutlich war es ein Abschiebehäftling, der sich auf diese Weise in der Zelle verewigt hat, in diesem erbärmlich schmalen Raum mit Wänden aus nacktem Beton.
Unwillkürlich stellt man sich die Frage, was Soner Schmitt für ein Mensch war, was aus ihm geworden sein mag.
Es sind Details wie dieses, die eine Führung durch das ehemalige Polizeigefängnis Klapperfeld ebenso bedrückend wie beeindruckend machen.
Rund 20 Interessierte führt Sarah von der Initiative »Faites votre jeu« an diesem Samstagnachmittag durch das verwinkelte Gebäude. Seit 2009 nutzt die Gruppe den ehemaligen Knast für linke Politik und Kultur, seit die Stadt ihn als Ersatzobjekt für ein im August 2008 besetztes Jugendzentrum angeboten hat. Heute feiert »Faites votre jeu« sein vierjähriges Bestehen mit einem Sommerfest. Es gibt Bier und Gegrilltes, Führungen, eine Tombola und Kinderprogramm.
Vom Klapperfeld nach Auschwitz
Doch es wird nicht nur unbeschwert gefeiert. Das würde an diesem Ort, der durch Gitter und Stacheldraht an seinen ursprünglichen Sinn erinnert, auch schwerfallen. Seit seiner Errichtung 1886 war das Klapperfeld ein Polizeigefängnis, in den 1980er Jahren saßen hier Gegner der Startbahn West ein, noch bis 2001 Abschiebehäftlinge. Während des Nationalsozialismus herrschte hier die Gestapo.
Sarah erzählt vom Schicksal einiger Inhaftierter, vom Gewerkschafter und KPD-Mitglied Hans Schwert etwa, der im Keller des Klapperfeld von den Nazis gefoltert wurde. Oder von Cäcilie Breckheimer, die 1943 im Klapperfeld inhaftiert wurde, weil sie Jüdin war. Von hier aus wurde sie ins Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Eine Ausstellung mit Zeitzeugen-Interviews erinnert heute an ihr Schicksal und die Geschichte des Hauses.
»Immer ein Ort der Repression«
Johannes von »Faites votre jeu« erzählt davon, was es bedeutet, an so einem Ort Veranstaltungen und Ausstellungen zu machen. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass man das Haus nur unter der Bedingung nutzen könne, sich intensiv mit dessen Geschichte zu befassen, sagt der 36-Jährige.
»Es war gleichermaßen eine Zumutung wie eine Herausforderung, schließlich war das hier immer ein Ort der Repression.« Die Aktivisten durchsuchten das Haus, führten Interviews und stießen auf zum Teil sensationelle Dokumente, etwa Listen aus den 40er Jahren mit den Namen deportierter Juden.
»Faites votre jeu« hofft, bleiben zu können
Obwohl sich heute harmlose Dinge wie Ateliers, Proberäume und eine Fahrradwerkstatt im Klapperfeld befänden, habe er hier noch oft ein mulmiges Gefühl, sagt Johannes. »Die Ambivalenz bleibt.« Deshalb gräbt die Initiative weiter in der Geschichte des Hauses, aktuell führt sie Interviews mit hier inhaftierten Startbahn-West-Gegnern. »Es gibt noch viel zu tun«, sagt Johannes. Die Initiative hoffe daher, langfristig im Klapperfeld bleiben zu können. Draußen hört man Musik und Gelächter, die Sonne scheint in de Raum. Durch dicke Gitterstäbe.
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Frankfurter Rundschau, 12.08.2012
Von Hanning Voigts